Wer schon einmal an einem gut vorbereiteten Workshop teilgenommen hat, bei dem entworfen, Punkte geklebt und viel diskutiert wurde, der fragt sich: Wie soll das digital gehen? Wie kann man alle Teilnehmenden erreichen und mitnehmen? Wie kann man den gemeinsamen Teamspirit etablieren, aber auch einen gesunden Wettbewerb schaffen?
Ein zweitägiger digitaler Workshop im April dieses Jahres bot uns die Gelegenheit, dies zu erproben. In unserem Blog-Beitrag zeigen wir euch, wie es tatsächlich funktionieren kann.
Im Projekt Smart tau Hus wollten wir ursprünglich Mitte März einen Workshop vor Ort in Klütz (Mecklenburg-Vorpommern) veranstalten. Ziel war es, Anforderungen für einen digitalen Schaukasten zu erheben, der Bürgerinnen und Bürgern sowie Touristinnen und Touristen an öffentlichen Stellen zugänglich ist. Das Workshop-Format sah vor, Personas von Zielgruppen zu erstellen und Szenarien der Nutzung des Schaukastens zu modellieren. Da dies aufgrund der Corona-Situation nicht möglich war, stellten wir uns folgende Fragen: Können wir in einem virtuellen Workshop dieselben Anforderungen erheben? Inwieweit unterscheidet sich ein virtueller Workshop von einem klassischen Workshop vor Ort? Was müssen wir adaptieren? Welche Werkzeuge brauchen wir dazu?
Einen Workshop nicht gemeinsam vor Ort durchzuführen, bedeutet, die Teilnehmenden auf anderem Wege zusammenzubringen. Das gängigste Format hierfür ist eine Videokonferenz. Ein ganztägiger digitaler Workshop könnte auf diese Art jedoch maximal vier Arbeitsstunden enthalten. Die Teilnehmenden bräuchten in dieser Zeit ausreichend Pausen. Die Kommunikation wäre sicherlich eingeschränkt, da eine natürliche Kommunikation erschwert wäre. Die Voraussetzung war deshalb: Es sollten einfache und wenige digitale Werkzeuge genutzt werden, um sicherzustellen, dass jeder Teilnehmende diese auch nutzen kann und dass beim Wechseln zwischen den Werkzeugen niemand verloren geht.
Unser Konzept
Wir bereiteten ein digitales Whiteboard im Detail vor, um möglichst alle Poster, Fragen und Post-Its direkt verfügbar zu haben. Die Struktur war durch das vorbereitete Whiteboard für die Teilnehmenden vorgegeben – wenn auch zu Beginn abgedeckt und zur Bearbeitung gesperrt.
Um sicherzustellen, dass alle ein gemeinsames Verständnis bezüglich des Umgangs miteinander während des Workshops hatten, formulierten wir vorab eine Netiquette für unsere Teilnehmenden. Diese beinhaltete unsere Spielregeln, Tipps sowie Notfallpläne im Falle nicht funktionierender Technik; zum Beispiel hinterlegten wir die Handynummer einer Moderatorin. Wir verschickten die Netiquette einen Tag vor dem Workshop per E-Mail.
Am ersten Tag des Workshops führten wir vor dem Workshop einen Technikeinweisung durch, um sicherzustellen, dass jeder die Werkzeuge lauffähig bei sich vorliegen hat und mit der Nutzung vertraut ist. Hierfür hatten wir Aufgaben vorbereitet, die auch schon vor dem Workshop spielerisch bearbeitet werden konnten.
Unsere Werkzeugkiste
Der Workshop sah neben gemeinsamen Übungen im Plenum auch Arbeiten in Kleingruppen vor. Deshalb war uns wichtig, zum einen auch im virtuellen Workshop entsprechende Gruppen bilden zu können und zum anderen, dass die Teilnehmenden interaktiv teilnehmen konnten. Sie sollten gleichzeitig arbeiten können und dabei sehen, was ihre Teamkolleginnen und -kollegen bearbeiten. Letztendlich entschieden wir uns für eine Kombination aus Zoom und Miro.
Zoom als Videokonferenz-Lösung bot uns die Möglichkeit, schnell kleine Teams in sogenannten „Breakout Rooms“ zusammenzustellen und zwischen diesen Teams und dem großen Plenum zu wechseln. Außerdem konnten wir jederzeit Umfragen tätigen, um das Verständnis oder Pausenbedürfnis abzufragen.
Miro wurde eingesetzt, weil es gemeinsames Arbeiten auf einem virtuellen Whiteboard ermöglicht. Zudem konnten wir Arbeitseinheiten mit der Miro-internen Stoppuhr genau takten, sodass beim Arbeiten jeder einen Überblick über die verbleibende Zeit hatte.
Unsere Einschätzungen
Die Teilnehmenden berichteten uns, dass sie fokussierter waren als bei ihren bisherigen analogen Workshop-Erlebnissen. Das digitale Workshop-Format diszipliniert und erfordert Konzentration, um zu wissen, wo im Ablaufplan gerade gearbeitet wird. Dadurch, dass es keine parallel laufenden Aktivitäten und Diskussionen gibt, haben alle den gleichen Wissensstand. Ein weiterer Vorteil der Verwendung digitaler Werkzeuge ist die Leichtigkeit, mit der die Dokumentation der Ergebnisse erstellt wird. Im Handumdrehen konnten wir das erarbeitete Material durch einen Export ausgeben und an die Teilnehmenden verschicken. Es gab weder ein Abtippen handschriftlich beschriebener Karten noch ein aufwändiges Fotografieren oder Scannen von Whiteboard-Wänden. Alle Informationen lagen uns direkt vor.
Weitere Vorteile sind natürlich die CO2- und Reisekosteneinsparungen, aber auch, dass immobile Teilnehmende leichter teilnehmen können. Dadurch ermöglicht ein digitaler Workshop Inklusion auf einfache Art und Weise.
Nachteilig ist, dass wir technikabhängig sind. Eine gewisse Digitalkompetenz muss vorhanden sein. Internetprobleme können den Arbeitsfluss stören. Es ist für Teilnehmende anstrengend, lange am Rechner zu sitzen. Es besteht auch die Gefahr, dass die Teilnehmenden sich leichter ablenken lassen können, da sie beispielsweise zwischendurch mal eine E-Mail lesen oder beantworten. Dies kann nicht komplett verhindert werden, aber der gewünschte Umgang kann über die Netiquette beschrieben werden.
Resümee und Ausblick
Der Workshop verlief auf verschiedenen Ebenen gut: Einerseits konnten wir Anforderungen an den digitalen Schaukasten gewinnen. Andererseits erhielten wir von den Teilnehmenden positive Rückmeldungen zum Verlauf des Workshops. Diese hatten nach kurzer Zeit schon ein sehr gutes Verständnis der Funktionalitäten der Werkzeuge und konnten gut zusammenarbeiten. Dabei unterstützten technisch versiertere Teilnehmende ihre Teamkolleginnen und -kollegen.
Wir finden, dass ein digitaler Workshop ein tolles Format mit viel Potenzial ist. Er kann während der Corona-Zeit helfen, das tägliche Arbeiten wie gehabt weiterzuführen, kann aber auch danach eine gute Ergänzung sein, zum Beispiel dann, wenn Ressourcen eingespart oder spontane Workshops gehalten werden sollen.
Für die Zukunft überlegen wir, vor dem Workshop kleine »Care-Pakete« zu verschicken, die Schreibmaterialien, Kommunikationskarten, Workshop-Materialien und unsere Netiquette enthalten. Damit könnten wir den digitalen Workshop mit analogen Mitteln noch interessanter gestalten und die Teilnehmenden besser einbinden.
Unsere Empfehlungen für einen digitalen Workshop
Wir empfehlen überschaubare Teilnehmergrößen bis zu zwölf Personen und Gruppenarbeiten bis zu vier Personen, sodass alle aktiv in die Workshop-Arbeiten eingebunden werden.
Wir empfehlen, mehr Moderatorinnen und Moderatoren als im klassischen Vor-Ort-Workshop einzusetzen, da der Betreuungsaufwand höher ist. In unserem Workshop hatten wir zwei Moderatorinnen und zwei Moderatoren für die zwölf Teilnehmenden.
Wir empfehlen, den Austausch zwischen Moderatorinnen und Moderatoren explizit in den Ablauf einzuplanen, da Absprachen »zwischendurch« nur schwer möglich sind. Zusätzlich ist ein digitaler Chat nützlich, um kurzfristig Informationen auszutauschen.
Da eine Technikeinweisung gegebenenfalls viel Zeit in Anspruch nehmen kann, sollte diese Einweisung, wenn möglich, an einem anderen Tag als direkt vor dem Workshop stattfinden. Einerseits kostet es die Teilnehmer Energie. Andererseits ist davon auszugehen, dass bei den Teilnehmenden unterschiedliche
Digitalkompetenzen vorliegen und dadurch die »fitteren« Teilnehmenden warten müssen.
FRAUNHOFER VS. CORONA
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