»Digitalisierung ins Land tragen«: Im Rahmen der Förderinitiative »Heimat 2.0« des Bundesprogramms für Ländliche Entwicklung, initiiert durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, begleitet das Fraunhofer IESE zusammen mit SPRINT (wissenschaftliche Politikberatung) insgesamt 16 Modellvorhaben in ganz Deutschland. Ziele der Initiative sind die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und die Sicherung der Daseinsvorsorge durch digitale Technologien und Digitalisierung im ländlichen Raum.
Die Forschungsassistenzen, bestehend aus Mitarbeitenden von SPRINT und dem Fraunhofer IESE, begleiten die Modellvorhaben über deren gesamte Projektlaufzeit. Dazu gehören auch Bereisungen in die Regionen. Die ersten Bereisungen zu den Modellvorhaben starteten Anfang April 2022. Die Route führte von Dessau-Roßlau nach Herzberg (Elster). Dort trafen sich die die IESE-Mitarbeiterinnen Annika Meier und Anna Schmitt mit diversen Vertreter*innen der Modellvorhaben.
Ziel der Bereisungsgespräche war es, in den persönlichen Austausch mit den Modellvorhaben zu gehen und diesen die Möglichkeiten zu geben, das ein oder andere vor Ort zu zeigen. So wurden in den Gesprächen der aktuelle Umsetzungsstand des Modellvorhabens und die nächsten geplanten Schritte besprochen. Zentrale Gesprächspunkte waren hierbei unter anderem die Zusammenarbeit mit den Netzwerk- und Kooperationspartner*innen, plan- und außerplanmäßige Aktivitäten, Herausforderungen, die Beteiligung bzw. Einbindung der Zielgruppen, der Entwicklungsstand der digitalen Lösung sowie die Öffentlichkeitsarbeit.
Auf Mission für mehr Digitalisierung: Besuch in Dessau-Roßlau mit Einblicken zum Modellvorhaben »DigiPlan Anhalt«
Beim ersten Stopp widmeten sich unsere Kolleginnen dem Modellvorhaben »DigiPlan Anhalt« der Stadt Dessau-Roßlau. »DigiPlan Anhalt« sieht vor, einen »Digitalen Planungsatlas« zur Unterstützung der Energiewende zu entwickeln, welcher das planerische Wissen verbessert, um das Potenzial der Region und deren Standortvorteile zur Realisierung der Energiewende auszuschöpfen. Ziel ist es hierbei, Fragen wie »Wo sollen die nächsten Windkraftwerke stehen?« oder »Wo sollen die nächsten Photovoltaik-Anlagen platziert werden?« zu beantworten. In einem vorangegangenen Projekt wurde als digitale Lösung bereits ein Prototyp des »Stakeholder Empowerment Tools« entwickelt, welches nun im Rahmen von Heimat 2.0 u. a. um ein Informationssystem zur CO2-Bilanz und um Prognosetools (bspw. Windprognose) erweitert werden soll.
Das Treffen fand jedoch nicht in Dessau-Roßlau selbst, sondern auf Ferropolis – der Stadt aus Eisen – in Gräfenhainichen statt. Dort nahm Thies Schröder, Geschäftsführer von »DigiPlan Anhalt« und gleichzeitig Geschäftsführer von Ferropolis, die IESE-Mitarbeiterinnen in Empfang (Abbildung 1). In dem 90-minütigen Gespräch schilderte Schröder den aktuellen Projektstand zu »DigiPlan Anhalt«.
Er berichtete, dass die im Januar geplanten Gespräche mit Netzwerkpartner*innen und weiteren Akteuren aus der Pilotregion und die in diesem Rahmen durchzuführenden Testanwendungen und Usability-Tests aufgrund der Corona-Pandemie auf April verschoben wurden. Dies habe allerdings auch seine Vorteile, da die aktuellen Gesetzesbeschlüsse auf Bundesebene, z. B. in Bezug auf den Landschaftsschutz, mehr Spielraum für das Modellvorhaben böten. Zudem ließ sich ein gesteigertes Interesse am Modellvorhaben selbst sowie an alternativen Energiequellen im Allgemeinen feststellen, was dazu führte, dass weitere Anfragen zur Teilnahme an durchzuführenden Testanwendungen eingegangen seien. Dies sei insbesondere auf (1) die Öffentlichkeitsarbeit und (2) die durchgeführten Beteiligungsprozesse im Zuge von Workshops mit Kommunen und Bürger*innen zurückzuführen, welche die Relevanz des Themas verdeutlichten und vermehrt Akzeptanz schufen. Wichtige Stakeholder waren und sind hierbei die Planungsgemeinschaften und die Kommunen. Herausfordernd sind laut Schröder vor allem die Themen »Daten- und Artenschutz«, da diese mit langwierigen Prozessen verbunden sein können.
Im nächsten Schritt liegt der Fokus auf der Zusammenarbeit mit den Klimamanager*innen der Kommunen. Zudem soll die Frage geklärt werden, wie es mittels eines Empowerments von Planungsakteur*innen gelingen kann, neue Standorte für solche Vorhaben zu identifizieren.
Nächste Station: Besuch in Herzberg (Elster) mit Einblicken zum Modellvorhaben »Herzberg digital.verein.t«
Am Tag darauf besuchten unsere Kolleg*innen die Verantwortlichen des Modellvorhabens »Herzberg digital.verein.t«, welche die Digitalisierung in Herzberg (Elster) vorantreiben möchten. Der Empfang fand im Rathaus von Herzberg durch Bürgermeister Karsten Eule-Prütz und Stephanie Kuntze, Projektleiterin von »Herzberg digital.verein.t«, statt. Dort berichteten die Verantwortlichen über den aktuellen Stand des Modellvorhabens (Abbildung 2).
Ziel von »Herzberg digital.verein.t« ist es, die Lebensqualität vor Ort durch eine verbesserte Sichtbarkeit des breiten sozialen, kulturellen und sportlichen Freizeitangebots, das die Vereine bieten, zu erhöhen. Die zu entwickelnde digitale Anwendung, welche in die neue Herzberg-App integriert werden soll, soll darüber hinaus den Ehrenamtlichen die Kommunikation bei der Vereinsarbeit erleichtern. Laut aktuellem Planungsstand sollen die Veranstaltungen der Vereine in den Eventkalender einfließen und ihre Nachrichten, Pressemitteilungen und Ankündigungen in den Newsstream integriert werden. Im Juni 2022 sollen alle Stakeholder darüber informiert und dazu animiert werden, die entwickelte digitale Lösung in Form einer App zu nutzen und auszuprobieren. Bis dahin sollen alle notwenigen Funktionen implementiert sein. Hierzu wurden in der Vergangenheit die Bedarfe und Wünsche der Stakeholder erhoben.
Neben den genannten Aspekten wurden bei dem Besuch noch weitere Themen wie etwa die Verstetigung der im Modellvorhaben entwickelten digitalen Lösung und die Herausforderungen bei der Entwicklung digitaler Lösungen ausführlich besprochen. Diese Themen standen im Vordergrund, da das Modellvorhaben im Herbst 2022 seinen Abschluss findet und sich daher in den letzten Zügen befindet.
Im Hinblick auf die Verstetigung der digitalen Lösungen sollen künftig beispielsweise Radwege verortet und mit der Herzberg-App verknüpft werden. Darüber hinaus sollen folgende Features über das Projektende hinaus in die App integriert werden: barrierefreie Wegweiser, Schulwege, öffentliche Toiletten und Bänke, Infos für Radfahrer hinsichtlich des Radverkehrs und Möglichkeiten zur Live-Übertragung bei Sportveranstaltungen. Der Fokus bei der Weiterentwicklung der digitalen Lösungen liegt hierbei vor allem auf der Einpflege und Bereitstellung von Informationen und Verwaltungsdienstleistungen (insbesondere im Kartenbereich).
Hinsichtlich bisheriger Herausforderungen, Erfahrungen und Erkenntnisse thematisierten Kuntze und Eule-Prütz die Entwicklung der digitalen Anwendung. Bei einem Projekt wie Heimat 2.0 falle der Großteil der finanziellen Mittel für die Softwareentwicklung an. Die Herausforderungen hier waren und seien es, den Bürger*innen zu zeigen, wo das Geld hinfließe. Dies sei bei der Entwicklung einer Software gerade zu Beginn jedoch schwierig, auch weil der dahintersteckende Aufwand schwer zu greifen sei. Die Erkenntnis sei deshalb, dass die digital umgesetzten Aspekte und deren Mehrwerte sichtbar sein müssten, was jedoch erst mit dem Launch der vollständig entwickelten Lösung gelingen werde – nicht mit einer Test-App. Ein stückweises Veröffentlichen einer noch nicht vollständig funktionsfähigen Lösung solle daher vermieden werden. Eine weitere große Herausforderung sei das Anpassen der Open-Source-Software (OSS). Für das Projekt »Herzberg digital.verein.t« wurde die digitale Lösung auf der bestehenden OSS »HumHub« aufgebaut. Hier sei die Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Stakeholder an die Lösung und den vorhandenen Funktionen der OSS nicht immer einfach zu lösen gewesen.
Auch sei es wichtig, Menschen immer wieder mit Themen rund um »Digitalisierung« zusammenzubringen. Diesen Zweck erfüllt das sogenannte Stadtlabor, welches sich gegenüber dem Rathaus befindet und zu unterschiedlichsten Zwecken genutzt werden kann. Es dient zum einen als Projektbüro von »Herzberg digital.verein.t« und wurde im Rahmen des Projekts digital ausgestattet, bspw. mit einem Whiteboard, Bildschirm und Tablets (Abbildung 3). Zum anderen dient es als Anlaufpunkt für Interessierte, indem es Informationen, Vernetzungsmöglichkeiten und konkrete technische Hilfestellungen bereitstellt. Des Weiteren kann es für Veranstaltungen gebucht werden, wie bspw. Vereinssitzungen.
Fazit
Die Bereisungstour unserer IESE-Kolleg*innen hat gezeigt, wie zielstrebig die Kommunen Dessau-Roßlau und Herzberg (Elster) an das Thema »Digitalisierung« herantreten und wie sie innovative Lösungen in ihre Kommunen tragen. Genau das ist das Ziel des Projekts »Heimat 2.0«! Zwar ist der Weg hin zur digitalen Kommune nicht immer leicht, jedoch ist eines sicher: »Es lohnt sich!«
Wenn auch Sie sich für die Digitalisierung in Kommunen einsetzen wollen oder sich fachlichen Austausch dazu wünschen, so kontaktieren Sie uns gerne.
Weiteres zu Heimat 2.0 finden Sie hier:
- Tour durch die Heimat: Das IESE auf Bereisungstour – Teil 2: Von Thallwitz nach Cham
- Tour durch die Heimat: Das IESE auf Bereisungstour – Teil 3: Digitalisierung der Gemeinden Senden, Detmold und Göttingen
- Wie können in Teilregionen Deutschlands gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden und wie kann Digitalisierung dazu beitragen, Daseinsvorsorge zu unterstützen?
- Heimat 2.0 – Stärkung der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen