Im Fraunhofer-Leitprojekt »Cognitive Agriculture« (kurz: »COGNAC«) forschen neben dem Fraunhofer IESE sieben weitere Fraunhofer-Institute gemeinsam an Grundlagen, die Landwirt*innen in einer digitalisierten Welt eine hohe Produktivität im Einklang mit weiteren Zielen wie Nachhaltigkeit oder Produktqualität ermöglichen. Unsere Gastautoren vom Fraunhofer-Institut für Produktionssysteme IPA koordinieren die Arbeiten rund um die Feldrobotik und berichten über neue Forschungsergebnisse.
Gastautor
Kevin Bregler
Fraunhofer IPA – Roboter- und Assistenzsysteme
Telefon: +49 711 970 1371
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Gastautor
Simon Kalmbach
Fraunhofer IPA – Roboter- und Assistenzsysteme
Telefon: +49 711 970 1678
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Landwirtschaftliche Prozesse rund um den Pflanzenschutz sind noch immer mit hohen Kosten und vor allem im ökologischen Landbau mit hohen manuellen Aufwänden verbunden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Beseitigung von Beikräutern, die mit den Nutzpflanzen um Nährstoffe, Wasser und Sonnenlicht konkurrieren. Um diese Aufwände zu minimieren drängen seit einigen Jahren disruptive Technologien in den Markt der Landwirtschaft. Neue Ansätze aus den Bereichen der künstlichen Intelligenz, neuen Sensor- und Robotertechnologien werden von zahlreichen Start-Ups aus dem Agriculture Technology (AgTech) Bereich an den Markt gebracht. Trotz der aufstrebenden Start-Up Landschaft in der AgTech Branche, sowie etablierten Herstellern, die diesem Trend folgen, ist die Robotik in der Landwirtschaft eine bisher ungelöste Herausforderung die weiterhin signifikanten Aufwand in Forschung und Entwicklung benötigt.
Neben regulatorischen Herausforderungen für autonome Systeme in der Landwirtschaft bestehen auch Herausforderungen, die in der Robotik und in den Applikationen begründet liegen. Es bestehen unterschiedlichste Konzepte hinsichtlich der Ausgestaltung der Roboterhardware, Autonomie und Applikation. Um den Erfolg von Robotern in der Landwirtschaft langfristig garantieren zu können, müssen sie sich ihrer nicht- oder teilautomatisierten Konkurrenz – den konventionellen Landmaschinen – vor allem in dem Bereich der Leistungsfähigkeit stellen. Der wirtschaftliche Erfolg von Agrarrobotern hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, wie beispielsweise einer Aufrechterhaltung oder gar Steigerung der Produktivität des Anbaus selbst, aber auch einer Reduktion des ökologischen Fußabdrucks des aktuellen Anbausystems. Eine weitere Herausforderung stellt die Autonomie auf dem Feld dar, die es einem Roboter ermöglicht, sich auf einem Feld zu lokalisieren, in den Reihen zu navigieren, Aufgaben auszuführen und auf dortige Gegebenheiten reagieren zu können, ohne dass ein Eingreifen des Anwenders innerhalb eines Arbeitsprozesses notwendig ist.
Lösungsansätze in COGNAC zur Beikrautregulierung
Um sich diesen Herausforderungen zu stellen, werden im Fraunhofer Leitprojekt COGNAC aktuell unterschiedliche Roboter entwickelt. Einer dieser Roboter, der am Fraunhofer IPA in Stuttgart entwickelt wird, trägt den Namen CURT (Crops Under Regular Treatment). Durch die Kombination unterschiedlicher Sensordaten kann sich CURT auf den Feldern lokalisieren und selbst kurzzeitige Ausfälle des RTK-GPS Signals kompensieren. Dazu extrahiert CURT Informationen aus der Umgebung mittels Kamera, Daten und 3D LIDAR-Sensoren und kombiniert diese. Zur Navigation werden semantische Informationen genutzt, um den Roboter entlang der Reihen zu führen und deren Enden und die Feldgrenzen zu erkennen. Für die lokale Planung der Fahrtwege werden semantische Informationen in Karten hinterlegt. Diese Informationen, können unter anderem zur Abschätzung der Befahrbarkeit der Untergründe genutzt werden um darauf basierend Pfade zu generieren. Die relevanten Informationen werden nicht nur lokal auf CURT gespeichert und verarbeitet, sondern auch im Agricultural Data Space (ADS) ausgetauscht und verwendet.
Durch seinen Radstand und seine schmalen Räder ist CURT in der Lage Dammkulturen, wie beispielsweise Kartoffeln, Zwiebeln oder Möhren zu befahren. Unterschiedliche Kamerasysteme die mit spezifischen Beleuchtungseinrichtungen ausgestattet sind, können Nahinfrarot-, RGB und Tiefendaten sammeln. Dadurch kann CURT Nutzpflanzen von Beikräutern unterscheiden, diese klassifizieren und auf dem Feld lokalisieren und als semantische Informationen in Karten hinterlegen. Für die Anwendung innerhalb der Applikation Beikrautregulierung werden für CURT unterschiedliche Manipulatorenkonzepte zur selektiven, mechanischen Beikrautregulierung entwickelt und befinden sich aktuell in Erprobung.
Video-Empfehlung: Vision Landwirtschaft der Zukunft mit CURT
Bisherige und erwartete Ergebnisse
Der bisherige Stand der Entwicklung lässt sich in drei Kategorien unterteilen: Mechatronik, selektive Manipulation und kognitive Fähigkeiten.
Im Bereich der Mechatronik nutzt das Fraunhofer IPA aktuell eine eigens entwickelte MVP-Version (Minimal Viable Product) des finalen Entwicklungsziels um flexibel Algorithmen und neue Ansätze zu testen. Entgegen des finalen Entwicklungsstandes von CURT ist dieser MVP kleiner und somit einfacher in der Handhabung innerhalb der Forschung und Entwicklung und verfügt über ein reduziertes Antriebssystem mit weniger Antriebsleistung. Im Sommer 2022 wird der finale Prototyp von CURT innerhalb des Leitprojekts COGNAC fertiggestellt sein und alle Teilkomponenten integriert, sowie die Schnittstelle zum ADS implementiert.
Der zweite Bereich, die selektive Manipulation, wurde bereits prototypisch umgesetzt und wird aktuell in Testständen erprobt und evaluiert. Dabei kommen unterschiedliche Wirkprinzipien in der Beikrautregulierung zum Einsatz, sowie unterschiedliche Kinematiken zur Positionierung der Werkzeuge. Nach erfolgreichen Tests unter Laborbedingungen, werden die Manipulatoren in die mobile Roboterplattform für Tests unter Realbedingungen in Kartoffelkulturen integriert.
Als wichtige Entwicklung innerhalb der kognitiven Fähigkeiten von CURT wird die Outdoor-Navigation fokussiert. Diese ist bereits in der Lage Karten mit unterschiedlichen semantischen Informationen für Agrarroboter zu generieren und diese der Planungsebene zur Verfügung zu stellen. CURT besitzt bereits die Fähigkeit, sich auf Basis unterschiedlicher Sensordaten innerhalb des Feldes zu lokalisieren. Zum Ende des Leitprojektes COGNAC werden diese Komponenten um eine lokale und globale Planungsebene erweitert. Relevante Informationen können dann auch bidirektional zwischen dem ADS und CURT ausgetauscht und für weitere Anwendungen oder Prozesse verwendet werden.
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