Die fortschreitende digitale Transformation stellt die Informatik vor die Herausforderung, immer komplexer werdende Systemlandschaften zu entwerfen. Im Bereich des Software Engineerings werden Digitale Ökosysteme entwickelt, die hauptsächlich darauf ausgerichtet sind, neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Im Internet der Dinge treiben Innovationen in der Hardwareentwicklung und Kommunikationstechnik das Potenzial voran, möglichst in Echtzeit Prozesse zu steuern und zu kontrollieren. Das Systems Engineering ist demnach dazu aufgefordert, Systems-of-Systems (SoS; Deutsch: Systeme der Systeme) auf eine neue Ebene zu heben. Soziotechnische Systeme sollen in Zukunft autonom, dynamisch, vertrauenswürdig und meist domänenübergreifend agieren. Im Fachjargon ist hierbei auch von dynamischen SoS die Rede. In unserem neuen Whitepaper zum Thema »Anwendungsfälle zu dynamischen Systemen der Systeme der Zukunft« skizzieren unsere Expert*innen vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE, wie dynamische SoS in unterschiedlichen Anwendungsbereichen bzw. Domänen aussehen können.
Die Vielseitigkeit der Bereiche, in denen dynamische Systems-of-Sytems eingesetzt werden sollen, erschwert deren Entwurf und Entwicklung. Viele Herausforderungen können nur durch Forschung gelöst werden. Bevor sich diese allerdings untersuchen lassen, gilt es zunächst, grundlegende Fragestellungen – bezüglich Aspekten wie dem Grad der Automatisierung, möglichen Formen der Vernetzung oder dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) – zu beantworten.
Dynamische Systems-of-Systems: Ein Forschungsfeld voller Potenziale
Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Notwendigkeit, dynamische SoS greifbar zu machen, erkannt und möchte darum herausfinden, worauf sich die Forschung in diesem Bereich konzentrieren soll, um diese letztlich gezielt fördern zu können. Dafür beauftragte das BMBF das Fraunhofer IESE mit dem Projekt »DynaSoS«. Unserem Institut oblag damit – unter fachlicher Begleitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) – die Aufgabe, die aktuellen Fragestellungen hinsichtlich der Entwicklung dynamischer SoS zu sammeln, zu konsolidieren und darzustellen. In dieser Hinsicht verfügt das Fraunhofer IESE über eine entsprechend langjährige Expertise, was die Durchführung und Begleitung solcher Transformationsprozesse angeht. Dies spiegelt sich u. a. in den am Fraunhofer IESE entwickelten Lösungen im Rahmen der Projekte BaSys, Advanced Therapy Medicinal Products, Smarte.Land.Regionen und Cognitive Agriculture wider.
Erforschung des Status quo bestehender Systems-of-Systems
In einem ersten Schritt galt es, im Projekt die Relevanz dynamischer SoS zu erklären, zu illustrieren und greifbar zu machen. Denn nur so ist es möglich, sich unter diesem relativ abstrakten Begriff konkrete Visionen zu erarbeiten. Hierzu wurden auf Basis des Stands der Technik und in engem Austausch mit Expert*innen aus Industrie und Forschung plausible Anwendungsfälle zu dynamischen SoS identifiziert. Pro Anwendungsbereich wurden dabei mehrere Anwendungsfälle mit hoher Relevanz identifiziert, woraus im Expertenkreis jeweils einer ausgewählt und iterativ ausdefiniert wurde. Bei den betrachteten Anwendungsbereichen handelte es sich konkret um die folgenden Anwendungsfälle:
- Smart Farming: »Zielkonflikte im Nachhaltigkeitsdreieck beim Pflanzenschutz durch konsequente Digitalisierung reduzieren«
- Smart Manufacturing: »Dynamisch rekonfigurierbare Produktion durch virtuelle Produktionslinien«
- Smart Mobility: »Dynamische Lieferverkehrszonen zur Optimierung der innerstädtischen Waren- und Lieferverkehre«
- Smart Healthcare: »Smarte Produktion von Advanced Therapy Medicinal Products (ATMP)«
- Smart Energy: »Ein vernetztes zellulares Energiesystem zur Komplexitätsbeherrschung auf lokaler Ebene«
- Smart City & Region: »Self-driving trees: Blau-grüne Infrastruktur, die sich an die Bedürfnisse einer Stadt anpasst«
Neue Impulse für die Zukunft dynamischer Systems-of-Systems: unser Whitepaper
In unserem Whitepaper zum Thema »Anwendungsfälle zu dynamischen Systemen der Systeme der Zukunft« stellen wir nun die sechs genannten Anwendungsfälle gezielt vor. Übergreifend gültig ist dabei die Tatsache, dass dynamische Systems-of-Systems in allen genannten Anwendungsbereichen Formen von Kollaboration und Optimierung in der digitalen Transformation ermöglichen, für die nach aktuellem Stand noch keine Lösungen existieren. Sie bilden entsprechend eine gelungene Grundlage, um domänenübergreifende Forschungsfragen zu relevanten Querschnittsthemen im Bereich des Systems und Software Engineerings zu beleuchten. Mit anderen Worten, der Bericht bietet einen Vorgeschmack auf die Zukunft dynamischer SoS. Er soll Praktiker*innen und Forscher*innen inspirieren und sie in ihrer Vorstellungskraft zur (Weiter-)Entwicklung solcher Systeme unterstützen.
Für die weiteren Schritte im Projekt bieten die Anwendungsfälle dazu eine handfeste Diskussionsgrundlage. Damit lassen sich beispielsweise optimale Einblicke zu möglichen Roadmaps mit Systems-Engineering-Fokus generieren. Als Anhaltspunkt für tiefere Analysen arbeiten unsere Expert*innen am Fraunhofer IESE derzeit intensiv daran, bisher noch abstrakte Visionen in möglichst reale Szenarien zu überführen und diese als repräsentative Beispielsysteme prototypisch zu modellieren und spezifizieren. Nur so lässt sich die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit dynamischer SoS feststellen. Die dabei erzielten Ergebnisse erscheinen in den nächsten Wochen auf der Projektwebsite dynasos.de. Später im Projekt sollen dort auch die Herausforderungen, Anforderungen, Entwicklungsfelder, Handlungsempfehlungen sowie eine Forschungsarchitektur zur Strukturierung von Software-Engineering-Forschungsthemen für dynamische SoS erscheinen.
Sie wollen noch mehr zu unserem Forschungsthema »Systems of Systems« erfahren? – Dann schauen Sie sich gerne auf unserer Projektwebsite dynasos.de um und/oder kontaktieren Sie unsere Ansprechpartner*innen.
Wir freuen uns über einen regen Austausch!