Ein Bild des Spieles "Schiffe versenken" als Vorschaubild für Agile Spiele / Agile Games

Agile Spiele: Eine Übersicht und Kategorisierung

Agilität bestimmt nicht nur zunehmend die Softwareentwicklung und den Umgang mit IT-Projekten, sondern weitet sich immer mehr auch auf das Projektmanagement und Arbeiten in anderen Unternehmensbereichen aus. In diesem Blog-Beitrag möchten wir zunächst erklären, was es bedeutet, agil zu arbeiten. Anschließend zeigen wir, wie Agile Games dabei helfen, Agilität spielerisch zu verinnerlichen, und bieten eine Übersicht über agile Spiele zu verschiedenen Lernzielen.

Oftmals werden in Sachen Agilität Annahmen vertreten wie »wenn wir Scrum machen, sind wir agil«. Doch ganz so einfach ist es nicht, eine Person, ein Team, ein Projekt oder gar eine Organisation an Agilität heranzuführen. Hierzu bedarf es verschiedener Aspekte, die grundsätzlich aufeinander aufbauen und teilweise tief in den Gedanken der Mitarbeiter*innen sowie der Führungskräfte verankert werden müssen. Erst dann kann überzeugt entsprechend dieser Prämissen gehandelt und letztendlich wirklich agil gearbeitet werden. Welche Aspekte das sind und was sie bedeuten, wird gerne und häufig anhand der »Agile Onion« (Abbildung 1) verdeutlicht. Sie veranschaulicht, wie vielschichtig Agilität ist.

Die Agile Onion zeigt den Kulturwandel hin zu einem agilen Mindset - Agile Spiele helfen durchs Doing ins Being agile zu kommen
Abbildung 1: Die »Agile Onion« (vgl. [4])

Eine Veranschaulichung agilen Arbeitens mithilfe der »Agile Onion«

Das Grundgerüst der Agile Onion stellt das (agile) Mindset dar. Um Agilität zu leben, muss eine Veränderung im Denken, Handeln und Zusammenarbeiten der betroffenen Menschen in einer Organisation stattfinden. Dazu bedarf es zum einen agiler Führung, welche die notwendigen Rahmenbedingungen und Umgebungen schafft, um eine solche Veränderung überhaupt zu ermöglichen und voranzutreiben. Keine Eile und das Schaffen von Vorbildern sind hier zwei der wichtigsten Faktoren. Zum anderen benötigt ein agiles Mindset die Akzeptanz der Mitarbeiter*innen, einen solchen Kulturwandel zu vollziehen. Kurz gesagt: Die nachhaltige Veränderung des Mindsets kostet Zeit und Energie. Sie findet nicht von heute auf morgen statt, da die involvierten Personen dazu bereit sein müssen, sich weiterzuentwickeln und ggf. alte Gewohnheiten abzulegen. Die vier Werte und zwölf Prinzipien des Agilen Manifests [7], also die zweite und dritte Schicht der Agile Onion, unterstützen den beschriebenen Kulturwandel hin zu einem agilen Mindset. Die Leitsätze sollen dabei helfen, die Art des (gemeinsamen) Arbeitens zu überdenken und neu zu organisieren. Aus diesen Gründen stellen die drei Aspekte – Mindset, Werte und Prinzipien – die wichtigsten, mächtigsten und gewinnbringendsten Faktoren der Agilität dar. Gleichzeitig sind sie aber auch die Faktoren, die am schwersten zu greifen und zu verstehen sind. Doch erst, wenn sich diese drei (äußeren) Schichten der Agile Onion manifestieren, entfalten die praxisorientierten Schichten der Agile Onion – die agilen Methoden und Praktiken – ihr Potenzial. Diese Schichten stehen für die Anwendung von Agilität – für das Doing.

Zwar existieren zahlreiche agile Methoden, jedoch stellt Scrum die bekannteste und am häufigsten verwendete Methode dar [8]. Auch die Anwendung einzelner agiler Praktiken wie Stand-ups oder Retrospektiven [5], losgelöst von einer übergreifenden Methode, haben sich in der Praxis bewährt. Methoden und Praktiken repräsentieren also die alltäglichen Werkzeuge, mithilfe derer eine agile Arbeitsweise erreicht werden kann [3][4].

Agiles Arbeiten durch »Agile Spiele« spielerisch lernen

Um die Anwendung agiler Werte, Prinzipien, Methoden und Praktiken nicht nur in der Theorie zu verstehen, werden zunehmend spielerische Lernansätze genutzt. Die sogenannten »Agile Spiele/Agile Games« ermöglichen es, die Essenz von Agilität spielerisch und praxisorientiert zu vermitteln. Das gilt selbst für Personen, die zuvor nur wenig oder noch gar nicht mit der Thematik »Agile« in Kontakt gekommen sind. Das ist auch der Grund, warum sogenannte »Serious Games« bzw. spielbasiertes Lernen (Game-based Learning) vor allem im agilen Umfeld gut anwendbar sind.

Agile ist ein praxisorientierter Ansatz, der mit spielerischen Ansätzen erlebbar und greifbar gemacht werden kann. Unter Serious Games werden allgemein Spiele mit einem ernsten, für Unternehmen zweckbringenden Ziel verstanden, die gleichzeitig aber auch unterhaltsam sein sollen. Durch Faktoren wie den praktischen Wissenstransfer, direktes/offenes Feedback auf das Gelernte und die Wiederholbarkeit bieten sie mitunter die Möglichkeit, das Training und den Lernerfolg von Mitarbeiter*innen zu verbessern. Anhand digitaler und analoger Serious Games wird dabei versucht, durch spielerische Elemente und das Einnehmen verschiedener Rollen schneller, leichter und nachhaltiger zu lernen. Zusätzlich wird damit zumeist der Spaß am Lernen gefördert, was Selbiges nicht nur erleichtert, sondern auch zu einer weniger ablehnenden Haltung gegenüber der fokussierten Thematik (hier etwa dem agilen Arbeiten) führen kann. Für den größtmöglichen Lerneffekt der Teilnehmenden sind sowohl das aktive Mitspielen als auch das passive Beobachten von zentraler Bedeutung [1][2][6].

Agile Spiele ermöglichen es also, die wesentlichen Aspekte von Agilität – Mindset, Werte und Prinzipien – in einem kurzen, zeitlich auf wenige Minuten oder Stunden beschränkten Zeitraum zu erleben. Auch die praktischen Konzepte von Agile – Methoden und Praktiken – können in solch einem limitierten Kontext veranschaulicht werden. Anwender*innen von Agile Games erhalten dadurch realistische Eindrücke und können besser verstehen, worum es bei agilem Arbeiten geht. Gerade dessen grundlegende Aspekte sind zwar zunächst recht selbsterklärend, aber in der Praxis meist nur schwer gezielt umsetzbar. Grund dafür ist die nötige Veränderung der Denk- und Verhaltensweisen jeder einzelnen Person, die letztendlich den Erfolg ausmacht. Gerade in Bezug auf diese schwer greifbaren Aspekte von Agilität bieten Serious Games viel Potenzial, da ihre Anwendung u. a. die Auswirkung bestehender Probleme und angestrebter Veränderungen verdeutlichen kann. Sie ermöglichen also das aktive Erleben von Dingen, die durch rein theoretische Beschreibungen nur schwer verstanden bzw. verinnerlicht werden können. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen auf eine Vielzahl bereits existierender Agile Games zurückgreifen, um die Einführung von Agilität zu unterstützen. Das spielerische Erlernen neuer Arbeitsweisen macht nicht nur Spaß, sondern reduziert auch die Skepsis kritischer Mitarbeitender sowie die Anzahl und Dauer der üblichen »Theorieschulungen«.

Sammlung existierender »Agile Games«

Wir haben zum Thema Agile Games eine Internetrecherche durchgeführt und so eine kleine Sammlung verschiedener Spiele zusammengetragen. Die Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet aber einen guten Einblick in einige der Möglichkeiten, die Unternehmen bereits zur Verfügung stehen. Die genannten Spiele wurden in einem zweistufigen Verfahren strukturiert und zunächst auf ihre jeweiligen Lernziele untersucht. Insgesamt kristallisierten sich dabei 15 solcher Ziele – wie etwa Kommunikation oder Teamwork – heraus. Diese wurden anschließend wiederum zusammengefasst und drei übergeordneten Kategorien zugewiesen. Die verschiedenen Spiele sowie deren Strukturierung in Lernziele und Kategorien können Tabelle 1 entnommen werden.

Übersicht über Agile Spiele
Tabelle 1: Agile Games mit Zuordnung zu Lernzielen (Datei mit Referenzen zum Download durch Klick auf die Grafik)

Vorstellung der dreu übergeordneten Kategorien hinsichtlich Agiler Spiele

Agiles Mindset

In dieser Kategorie werden die Agile Games verortet, die den am wenigsten greifbaren Teil von Agilität darstellen, also Mindset, Werte und Prinzipien. Sie sind darauf ausgerichtet, die Grundlagen agilen Arbeitens so einfach wie möglich zu vermitteln und deren nachhaltiges Verständnis durch die Anwender*innen zu fördern. Spezifische Lernziele sind etwa iteratives Arbeiten, Teamwork (in cross-funktionalen Teams) oder agile Führung.

Agile Methoden & Praktiken:

Der Fokus der meisten dieser Agile Games liegt auf Scrum – der bekanntesten und am häufigsten eingesetzten agilen Methode. Zwar sind die meisten Agile Games im Allgemeinen darauf ausgelegt, dass sich die gesamte Methode spielerisch erlernen lässt, aber bei vier der fünf Spiele wird zusätzlich eine bestimmte Rolle oder Praktik von Scrum betrachtet. So thematisiert »The Product Owner Role« die namensgebende Rolle des Product Owners, »Werewolf Facilitation« bezieht sich auf den Scrum Master, »The Story of our Sprints« behandelt die Durchführung von Retrospektiven und »Football Scrum« lehrt den Einsatz von Stand-up-Meetings. Des Weiteren existieren diverse Spiele zum Erlernen anderer agiler Methoden wie Kanban, Lean und XP.

Allgemeine (Zusammen-)Arbeit:

Die Agile Spiele dieser Kategorie haben keine spezielle Ausrichtung und sind für den agilen und nicht agilen Kontext gleichermaßen geeignet. Sie verfolgen die Lernziele Team-Building, Fokus (Vermeidung von Multi-Tasking) und Change Management. Diese Spiele sollen dabei helfen, die eigene Effizienz zu steigern, Vertrauen im Team herzustellen und Feedback zu geben bzw. damit umzugehen.

Praktische Anwendung zweier »Agile Games«

Zwei der oben beschriebenen Agilen Spiele wurden genauer betrachtet und im Kontext eines virtuellen Seminars zur Auflockerung und Vertiefung agiler Ansätze angewandt. Das Spiel »Battleships« hilft dabei, die Wichtigkeit von Feedback und iterativem Arbeiten zu verstehen. Mit dem »Multitasking-Spiel« erlernen die Teilnehmenden die Wichtigkeit von Fokus sowie die Nachteile von Kontextwechsel/Task-Switching. Wie die Anpassung des Spiels „Battleships“ an den virtuellen Kontext und die Durchführung umgesetzt wurde, ist im Erfahrungsbericht im Projektmagazin zu lesen. Der Erfahrungsbericht für das „Multitasking-Spiel“ im Projektmagazin steht noch aus (voraussichtliche Veröffentlichung in Q3).

Referenzen

[1] Abt, C. C. (1970). Serious Games. Viking Press.
[2] Alvarez, J., Jessel, J.-P., Rampnoux, O. (2011). Origins of Serious Games, in Ma, M., Oikonomou, A., Jain, L. C. (Eds.): Serious Games and Edutainment Applications, Ed. 1, Springer London
[3] Selina (2020). The Agile Onion – Was hat es damit auf sich?, https://www.exanic.ch/de/blog/the-agile-onion-was-es-damit-auf-sich-hat/
[4] Simon Powers (2016). What is Agile?, https://www.adventureswithagile.com/2016/08/10/what-is-agile/
[5] Sutherland, J., Schwaber, K. (2020). The Scrum Guide, https://www.scrumguides.org/
[6] Susi, T., Johannesson, M., Backlund, P. (2007). Serious Games: An Overview, in: Political Science
[7] The Agile Alliance (2001). Manifesto for Agile Software Development, https://agilemanifesto.org/
[8] VersionOne (2020). 14th Annual State of Agile Report, https://stateofagile.com/