Wir haben die AGRITECHNICA 2019, die Weltleitmesse für Landtechnik, besucht. Dort stellten alle führenden Unternehmen der Branche und renommierte Forschungseinrichtungen ihre Neuheiten und Innovationen vor. Im Folgenden präsentieren wir unsere Highlights zu den Themenbereichen »Datenplattformen«, »Autonome Systeme« und »Sensorik«, die auch im Fraunhofer-Leitprojekt »Cognitive Agriculture« (kurz: COGNAC) adressiert werden:
Vernetzung der Hersteller-Clouds
Eine große Überraschung war im Herbst, dass sich John Deere und Claas (inkl. 365 FarmNet) zusammengetan haben, um ihre Datenplattformen direkt zu verbinden. Das Produkt CloudConnect wird auch von CNH Industrial mit den Marken New Holland, Case und Steyr unterstützt werden, soll aber insgesamt erst im Sommer 2020 Kunden zur Verfügung stehen. Zunächst liegt der Fokus auf Telemetriedaten, die in einem Zeitabstand von 15-30 Sekunden versendet werden und dann in der jeweiligen anderen Cloud-Applikation zur Verfügung stehen (zunächst jedoch nicht in dort angeschlossenen Applikationen von Dritten). So können Nutzer von John Deere Operations Center, Claas Telematics oder AFS Connect Daten von Maschinen der anderen Hersteller in ‚ihrer‘ Applikation sehen und nutzen. Das Zeitalter des Datenaustauschs per USB-Stick geht also dem Ende zu, wenn in einem nächsten Schritt auch ISOXML-Files ausgetauscht werden können. Im Rahmen des EU-Projekts ATLAS sollen die zugrundeliegenden Schnittstellen weiter verfeinert und idealerweise standardisiert werden.
Von der DLG mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde NEVONEX, das von Bosch mit anderen Partnen (z.B. Amazone, Lemken, Xarvio, ZG Raiffeisen) initiierte »Maschinen-App-Ökosystem«. Das Produkt verspricht, Applikationen maschinennah auf eine offene Hardwareplattform zu bringen. NEVONEX kümmert sich dabei um den »Einkauf« der Schnittstellen und die Prüfung der Kompatibilität und Interoperabilität. Aktuell gibt es nur eine Hardwarebox von Topcon, allerdings sind andere Anbieter eingeladen, ebenfalls Hardware bereitzustellen, die den NEVONEX-Spezifikationen entspricht. Das System soll sich besonders gut für die Nachrüstung von »smarten« Funktionen auf älteren Maschinen eignen. Da mit NEVONEX ein völlig neues Ökosystem geschaffen werden soll, stellt sich insbesondere die Frage, ob sich genügend Anbieter von Apps finden werden bzw. ob Hersteller eine native Unterstützung von NEVONEX auf ihren Terminals ermöglichen.
Automatisierte Landmaschinen auf vielen Ständen der AGRITECHNICA 2019
Viele Start-ups, mittelständische Firmen, Universitäten, aber auch die großen Hersteller präsentierten Konzepte und Fahrzeuge für hochautomatisierte Landtechnik.
John Deere zeigte in seiner »Future Technology Zone« neue Maschinenkonzepte für automatisierte Feldarbeiten, u.a. eine Studie eines neuen kabinenlosen Traktors, einen Prototyp einer autonomen leichtgewichtigen Feldspritze oder einen mit Spritzmittel aufgerüsteten Multicopter der Firma Volocopter. Auch wenn dies erst Konzeptstudien waren, wurde damit eindrucksvoll dargestellt, welche neuen Maschinen in der Zukunft die Feldarbeit unterstützen könnten. Wie der Landwirt die autonomen Maschinen überwachen und steuern kann, wurde in einem weiteren Konzept gezeigt: In einem mit riesigen Displays ausgestatteten autonomen Traktor hat der Bediener alle Maschinen »im Blick« und kann steuernd oder korrigierend eingreifen.
Dass große Innovationen auch von kleinen Firmen kommen können, zeigte eindrucksvoll ein Start-up mit der Roboterplattform ETAROB. Von der Konzeption und Konstruktion eines vollfunktionalen Feldroboters mit modularen Schnittstellen für Anbausensorik bis hin zur Software für die automatische Unkrauterkennung wurde der gesamte Entwicklungsprozess durch das kleine Start-up realisiert. Die Einstellung variabler Spurbreiten und die Ausrüstung mit verschiedenen Sensor- und Aktuatorikmodulen ermöglicht den flexiblen Einsatz für verschiedene Aufgaben bei unterschiedlichen Feldfrüchten.
Die Branche setzt sich weiterhin intensiv mit der Thematik der chemiefreien Beikrautregulierung auseinander, sei es durch Vorträge über den aktuellen Stand des in der öffentlichen Diskussion stehenden Herbizides Glyphosat oder Präsentationen von alternativen Mechanismen zur Bekämpfung von Beikraut. Während große, namhafte Hersteller wie Einböck oder Horsch weiterhin auf das Konzept des Anbaugeräts setzen und hier neue Entwicklungen vorstellten, präsentierten eher die kleinen Unternehmen die großen Innovationen. Der französische Hersteller Naio stellte seinen elektrifizierten automatisierten Roboter Dino zur mechanischen Beikrautbekämpfung vor und erhielt dafür auch eine Silbermedaille der DLG. Dieser Roboter ist auch bereits als Produkt erhältlich und eignet sich für Reihenkulturen im Gemüseanbau. Außerdem präsentierte das französische Unternehmen Carré den autonomen Roboter Anatis und Sano die adaptive Hackensteuerung VarioCHOP. Beide Unternehmen setzen den Fokus außerhalb der bewährten Technologie und erfinden damit das Thema Beikrautregulierung neu. Der Schwerpunkt liegt auf mechanischen Methoden, allerdings finden sich auch erste Entwicklungen für Alternativen, zum Beispiel zur Beikrautbekämpung mit Strom, wie die Electroherb-Technologie der Firma Zasso zeigte.
Kognitive Dienste unterstützen die Akteure in der Landwirtschaft
Besonders bei der Verarbeitung von Bilddaten zeigen sich die Stärken von neuronalen Netzen. Anbieter von kognitiven Diensten zeigten auf der AGRITECHNICA beispielsweise Auswertungen von Bilddaten zur Bewertung von Pflanzenkrankheiten, die z.B. von Drohnen erfasst werden. Xarvio präsentierte seine SCOUTING-App, welche mittels der Handy-Kamera Pflanzenkrankheiten erkennen oder Insekten auf Gelbkarten bestimmen kann. In der zugehörigen Applikation werden darüber hinaus Abhängigkeiten zu Fruchtart oder Nachbarbefall mit in die Empfehlung zum Pflanzenschutz einbezogen. Der Anbieter ist so überzeugt von der Leistungsfähigkeit seines Dienstes, dass er für einige Empfehlungen bei Fehlentscheidungen Entschädigungszahlungen anbietet (dies ist aktuell aber noch auf wenige Pflanzen und Märkte beschränkt).
Insgesamt ist es für die Diensthersteller nach wie vor schwierig, ein Angebot für alle Landwirte zu machen, da sie dazu verschiedene heterogene APIs der Herstellerplattformen bedienen müssen, um Daten zu erhalten bzw. Applikationskarten bereitzustellen. Es fehlt der gemeinsame »Agrardatenraum«, den wir in unserem Whitepaper »Agricultural Data Space« skizziert haben.
Die neueste Sensorik für den Ackerbau
Ein interessantes Konzept stellte Stenon auf der AGRITECHNICA 2019 mit einem Bodensensor in Spatenform vor. Dieser kann viele grundlegende Nährstoffe ermitteln und somit helfen, eine genaue Bodenkarte zu erstellen. Eine Automatisierung bzw. eine Integration des Sensors auf Maschinen oder mobilen Feldrobotern ist in Vorbereitung.
Eine weitere Innovation präsentierte das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS mit seinen umweltfreundlichen und kostengünstigen Bodensensoren. Die Sensoren inklusive Batterien und Antennen werden größtenteils unter Verwendung umweltfreundlicher Materialien gedruckt und in kompostierbaren Hüllen verbaut. Somit kann der Landwirt diese Sensoren zur Messung von Bewässerung (Spannung), Feuchtigkeit und Temperatur zu Beginn der Vegetationsperiode auf seinem Feld ausbringen und erhält regelmäßig über Funk (z.B. LoRa) aktuelle Werte zu seinem Feld. Nach der Vegetationsperiode können die Sensoren auf dem Feld verbleiben.
Weiter im Trend sind NIR-Spektroskopie-Sensoren (Nah-Infrarot-Spektroskopie), welche während der Ernte Produkteigenschaften (z.B. Feuchte, Stärkegehalt) vermessen oder den Nährstoffgehalt von Gülle bei der Ausbringung bestimmen und die Menge entsprechend regeln.
Unser Fazit zur AGRITECHNICA 2019
Zusammenfassend zeigten die Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf der AGRITECHNICA klar, dass die digitale Transformation in der Landtechnik immer weiter voranschreitet. Hierdurch entstehen immer neue innovative Dienstleistungen, welche die Arbeit der Akteure in der Landwirtschaft erleichtern, die Nachhaltigkeit fördern und die Wertschöpfung bei gleichzeitiger Risikominimierung steigern. Die digitale Landwirtschaft ist ein hochspannendes und innovatives Thema und wird es noch auf lange Zeit bleiben!