Das Thema Digitalisierung spielt auch in der Landwirtschaft eine immer größere Rolle. Dabei geht es längst nicht mehr nur um autonom fahrende Mähdrescher, ausgefeilte Sensortechnologie oder zentimetergenau arbeitende Traktoren – das alles gibt es schon lange. Die Landwirtschaft von morgen wird zunehmend geprägt sein von Themen wie Big Data, autonomen Robotern und Drohnen sowie Künstlicher Intelligenz, die die Landwirte bei Entscheidungen unterstützt, und vielem mehr. Eine der großen Herausforderungen wird dabei sein, all diese Angebote an die Landwirtschaft zu fördern und einfach benutzbar zu machen. Genau hier will das Fraunhofer-Leitprojekt »Cognitive Agriculture« (kurz: COGNAC) ansetzen und erforschen, wie eine IT-basierte Umgebung aufgebaut sein müsste, um digitale Lösungen der Zukunft für die Landwirtschaft zu ermöglichen und gleichzeitig vielen Benutzern einfach zugänglich zu machen. Dabei ist uns wichtig, übergeordnet zu denken: Wir wollen ein für alle Beteiligten faires und offenes digitales Ökosystem gestalten und damit auch die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft unterstützen!
Interview mit Dr. Matthias Naab,
Experte für Digitale Ökosysteme und Abteilungsleiter
»Architecture-Centric Engineering« am Fraunhofer IESE
Mit COGNAC wollen wir die Grundlagen für ein Digitales Ökosystem für die Landwirtschaft von morgen schaffen. Was macht ein Digitales Ökosystem aus?
Ein Digitales Ökosystem hat viele Ähnlichkeiten mit einem biologischen: Beide bestehen aus einer Vielzahl von Bestandteilen und Teilnehmern, die miteinander in Verbindung stehen und einen gemeinsamen Lebensraum teilen. Ein Digitales Ökosystem verbindet typischerweise eine große Anzahl von Organisationen und Menschen zu geschäftlichen und sozialen Zwecken. Dies geschieht üblicherweise mit einer digitalen Plattform und unter Zugrundelegung von klar definierten rechtlichen Aspekten. Die Verbindung zwischen Organisationen und Menschen ist dabei häufig eine Mischung aus digitalen Interaktionen über die Plattform (z.B. Austausch von Daten und Services) und Interaktionen in der realen Welt. Ein solches Digitales Ökosystem setzt eine gewisse Größe im Sinne der Menge der Teilnehmer voraus, damit es für alle Teilnehmer attraktiv ist und sich die Teilnehmer ihren Zwecken entsprechend gut mit anderen Partnern vernetzen können. Die Stärke besteht darin, dass es viel Dynamik erlaubt, sodass auf der gemeinsamen Plattform flexible und einfach nutzbare Dienstleistungen entstehen können, die für alle Teilnehmer einen echten Mehrwert bringen und damit die Attraktivität der Teilnahme am Ökosystem weiter steigern.
Wie kann das COGNAC-Ökosystem zu mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft führen?
Der Beitrag zur Nachhaltigkeit soll durch COGNAC insbesondere durch eine bessere Vernetzung von Organisationen, Menschen, Maschinen, Prozessen und Daten erzielt werden. COGNAC soll es ermöglichen, unterschiedlichste Dienste und Daten über Unternehmens- und Technologiegrenzen hinweg zu integrieren und einfach nutzbar zu machen. Auch kognitive Systeme bieten hier viele Möglichkeiten. Ein Beispiel: Durch die Auswertung der Daten von Satellitenbildern, Wetterdiensten und Drohnen kann der Zustand von Ackerpflanzen schnell, einfach und präzise bestimmt werden. Dadurch kann man Düngung und Pflanzenschutz so exakt steuern, dass nur so viele Mittel eingesetzt werden müssen wie unbedingt notwendig – und das auf den Zentimeter genau. Dabei spielen Datenquellen, Sensoren und Algorithmen zusammen, die von komplett verschiedenen Organisationen bereitgestellt werden können. Solche Lösungen gibt es zum Teil schon, oft sind sie jedoch wenig vernetzte Einzellösungen, nicht einfach nutzbar, nur für sehr spezielle Anwendungen. Durch ein Digitales Ökosystem wie COGNAC soll der Nährboden für viele weitere Dienstleistungen geschaffen werden, die auch im Sinne der Nachhaltigkeit arbeiten. COGNAC verfolgt die Nachhaltigkeit als eines von vier übergeordneten Zielen.
Wie können Landwirte und Maschinenhersteller am COGNAC-Ökosystem teilhaben?
Landwirte werden von COGNAC profitieren, indem sie Dienstleistungen und Anwendungen nutzen, die für das COGNAC-Ökosystem entwickelt wurden oder mit COGNAC integriert sind. Dazu ist es notwendig, dass bspw. Anbieter von Managementsystemen rund um den landwirtschaftlichen Betrieb, Betriebsmittelhersteller mit eigenen Beratungs-Apps, Händler mit Online-Marktplätzen, Steuersysteme für den eigenen Maschinenpark, Lohnunternehmer mit einer einfachen App zur Beauftragung und viele mehr zu Teilnehmern des COGNAC-Ökosystems werden. Ein digitales Ökosystem wie COGNAC muss hierfür den geeigneten Rahmen und die beste Unterstützung bieten. Maschinenhersteller können COGNAC bspw. nutzen, um ihre Maschinen über das Ökosystem zu vernetzen und so ihren Kunden erweiterte Dienste rund um die Maschine anzubieten oder die Maschinen an Apps weiterer Anbieter anzuschließen. Die Möglichkeiten der Teilhabe sind praktisch unbegrenzt und sollen nicht bei Landwirten und Maschinenherstellern enden – die Teilhabe ist für alle Beteiligten in der Landwirtschaft möglich, vom Landwirt bis zum Verbraucher, vom Betriebsmittelproduzent bis zur Genossenschaft. Darin liegt die Stärke von Digitalen Ökosystemen wie COGNAC. Während der Konzeption und des Aufbaus können all diese Gruppen auch teilhaben, indem sie Ideen und Wünsche äußern, die bei der Gestaltung des COGNAC-Ökosystems einfließen können.
Das Interview führte Manuel Rudolph,
Projektleiter „Cognitive Agriculture (COGNAC)“ und Senior Security Engineer bei Fraunhofer IESE.
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