Der Begriff »Datensouveränität« kommt schnell auf, wenn es um digitale Plattformen und Daten geht. Doch was verstehen die Menschen unter diesem Begriff, wofür und für wen ist Datensouveränität wichtig, und wer soll sie letztendlich umsetzen? In diesem Artikel zeigen wir, wie Akteure aus der Landwirtschaft diese Fragen beantwortet haben.
In diesen Tagen wird viel über das Thema »Datensouveränität« gesprochen. Jedoch wird nur selten erklärt, was mit dem Begriff eigentlich gemeint ist – und warum Datensouveränität so wichtig ist. Grund genug für uns, mit einer kleinen (und nicht repräsentativen) Umfrage etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Knapp 50 Personen aus unterschiedlichen Rollen in der Landwirtschaft folgten im September 2020 unserem Aufruf zur Teilnahme an unserer Umfrage zu »Datensouveränität in der Landwirtschaft« . Die Umfrageergebnisse präsentieren wir nun in diesem Artikel.
Was macht Datensouveränität aus?
Will man über Datensouveränität sprechen, steht man schnell vor der Frage »Was macht Datensouveränität überhaupt aus?« – Obwohl sich bei den meisten Personen ein gewisses Verständnis für den Begriff »Datensouveränität« entwickelt hat, steht bis dato eine genaue und einheitliche Definition aus. In der Landwirtschaft wird zudem häufig auch von »Datenhoheit« gesprochen. Zur Vereinfachung sagen wir für die folgende Diskussion, dass wir beide Begriffe synonym verwenden.
Um die Erwartungen gegenüber der Datensouveränität oder Datenhoheit in der Landwirtschaft besser zu verstehen, wollten wir im Rahmen unserer Umfrage von den Teilnehmenden zunächst herausfinden, welche Aspekte für sie Datensouveränität ausmachen.
Fast alle Teilnehmenden waren sich dabei einig, dass Datensouveränität für sie bedeutet, dass eine »Datennutzung durch Dritte« nur nach Zustimmung möglich sein sollte. Am zweithäufigsten (von zwei Dritteln der Antwortenden) wurde genannt, dass ein einmal erteiltes Recht zur Datennutzung widerrufen oder geändert werden können sollte. 60 % der Befragten erschien außerdem das Recht auf eine Löschung der selbst erzeugten Daten und ein besonderes Maß an Transparenz hinsichtlich der Datenverwendung als besonders wichtig. Noch mehr als die Hälfte der Umfrage-Teilnehmenden verband die Begriffe Dateneigentum und die Möglichkeit, Nutzungsrechte zu übertragen, mit dem Begriff der Datensouveränität. Weniger als 5 % der Befragten äußerten gar keine Meinung dazu, was Datensouveränität für sie ausmacht.
Die Rückmeldungen passen also gut zu unserer Definition:
Wofür braucht man Datensouveränität?
Nach Ansicht von 60 % der Teilnehmenden kann Datensouveränität Vertrauen schaffen und damit zu einer erhöhten Bereitschaft führen, Daten zu erfassen und zu teilen. 65 % der Befragten stimmten zu, dass durch Datensouveränität in der Folge eine flexiblere oder mehrfache Nutzung von Daten erleichtert wird – also beispielsweise, dass dieselben Daten an unterschiedliche Dienstleister fließen können. Das ist für uns ein wichtiger Aspekt, denn Daten stellen die Grundlage für digitale Ökosysteme dar (s.a. Das Digitale Ökosystem für die Landwirtschaft von morgen). Sie ermöglichen die Analyse und Optimierung von Arbeits- und Geschäftsprozessen bis hin zu deren Automatisierung. In Anwendungsfällen, die vielfältige Daten benötigen, in denen viele Personen oder Firmen die Daten nutzen, oder die sensible Betriebsdaten umfassen, ist gegenseitiges Vertrauen zum Umgang mit Daten besonders wichtig.
Exemplarisch hierfür sind folgende Beispiele zu nennen:
- Speichern von Ertragskartierungen und Dokumentationen der Ausbringung von Saatgut, Düngemittel und Pflanzenschutz auf digitalen Plattformen
- Automatisiertes Erstellen einer digitalen Cross-Compliance-Dokumentation
- Wechsel eines FMIS-Anbieters (und Mitnahme historischer Daten) des landwirtschaftlichen Betriebs
- Vertrauen in den Betrieb einer landwirtschaftlichen Maschine, welche mit zahlreichen Sensoren Daten erfassen kann
Mit der Möglichkeit der flexiblen Festlegung von Datennutzung im Rahmen von Datensouveränitätsmechanismen sind auch ganz neue Geschäftsmodelle denkbar:
- Eine »Datenspende« an Forschungsorganisationen oder gemeinnützige Organisationen
- Nutzungsbezogene Rabatte beim Kauf von Maschinen
- Vermarkten eigener Daten an Dienstleister, die z.B. Beratungsdienstleistungen erbringen
- Teilen von Marktdaten regionaler Märkte, um das Direktmarketing zu optimieren
Datensouveränität bekommt man jedoch nicht kostenlos und es gibt auch Kritikpunkte: Fast ein Viertel der Teilnehmenden an unserer Umfrage befürchtet eine Verkomplizierung durch Funktionen und das Management der Datensouveränität.
Wer kann oder sollte Datensouveränität umsetzen?
Viele Diskussionen drehen sich derzeit darum, welche Cloud-Plattformen mit welchen Technologien entsprechende Dienste in der Digitalisierung der Landwirtschaft miteinander bündeln. Dabei gibt es eine große Zahl von Protagonisten, denen ein unterschiedlicher Grad von Vertrauen in die technische Kompetenz und die Einhaltung von Regeln der Datensouveränität entgegengebracht wird.
Bei der Frage nach dem Vertrauen in die Umsetzung von Datensouveränität waren unabhängige Dienstleister, Verbände und Vereine sowie Genossenschaften die Spitzenreiter, denen viel Vertrauen entgegengebracht zu werden scheint. Branchenfremden, global agierenden IT-Größen traute man hingegen am wenigsten zu. Bei der Frage nach der Kompetenz und den Möglichkeiten, dies auch technisch umzusetzen, landeten die Verbände, Vereine und Genossenschaften nur auf den mittleren Rängen. Hier wurden Anbieter von IT-Lösungen in der Landwirtschaft oder auch branchenunabhängige Dienstleiter weiter vorne gesehen. Auch den IT-Größen traute man dies eher zu. Am seltensten allerdings wurden Hersteller von Landmaschinen und Produktionsmitteln sowie der Staat und Behörden genannt, wenn es um die Umsetzung von Datensouveränität ging. Aspekte zu einer möglichen technischen Umsetzung von Datensouveränität in der Landwirtschaft haben wir bereits in unserem früheren Beitrag Wie schafft man Datensouveränität in der Landwirtschaft? zusammengefasst.
Geht es um die Gestaltung von Regeln, die für die Datensouveränität gelten sollten, waren nur 21 % unserer Umfrageteilnehmenden der Meinung, dass diese vom Markt bestimmt werden sollten. Mit 61 % sprach sich die Mehrheit der Umfrageteilnehmenden für EU-weite einheitliche Regelungen aus, während sich nur 18 % solche auf Bundesebene wünschten. Für Regelungen auf Ebene der Bundesländer sprach sich niemand aus.
Und wie geht es jetzt weiter?
Neue digitalisierte Geschäftsmodelle und der Einsatz von datenbasierten Diensten erfordern neben zahlreichen Daten auch ein großes Maß an Flexibilität bei deren Nutzung. Dies lässt sich am besten mit einer technischen Lösung erreichen, die auch die für das Vertrauen wichtige Datensouveränität schaffen kann. Aktuelle Aktivitäten der EU im Kontext der europäischen Datenstrategie und Initiativen wie Gaia-X unterstreichen das. Im Fraunhofer-Leitprojekt COGNAC untersuchen wir Lösungskonzepte für einen »Agricultural Data Space«, der das Thema Datensouveränität als einen zentralen Aspekt beinhaltet und einen Datenraum für die Landwirtschaft zum Ziel hat, in dem einerseits die Datensouveränität und die Rechte von Landwirt*innen und andererseits die aus gemeinschaftlicher Nutzung entstehenden Potenziale von Daten in Balance sind.
Aus unserer Sicht wäre es vorteilhaft, Datensouveränität direkt bei den Dingen anzusiedeln, auf die sich Daten originär beziehen. In der Softwarewelt und auch in der Industrie 4.0 gibt es dazu das Konzept des »Digitalen Zwillings«. Richtlinien zur Datennutzung werden dort direkt hinterlegt und vereinfachen so den übergreifenden Austausch. Mehr dazu in unserem Blogartikel Digitale Zwillinge für die Landwirtschaft.
Fazit
Wir sehen: Rund um das Thema »Datensouveränität in der Landwirtschaft« bleibt es ganz schön spannend – vor allem, da die notwendigen Schritte große Investitionen bedeuten. Diese sind jedoch wegweisend für die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland und Europa.
Die nachfolgenden Diagramme geben noch einen Überblick über die Ergebnisse der Umfrage.
Allerdings sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Umfrage nicht repräsentativ ist. Sie sollte lediglich dazu dienen, ein Stimmungsbild zu erfassen.