Interoperabilität im Krankenhaus: Mit OneViewMed alle Patientendaten auf einem Dashboard

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet mit großen Schritten voran. In einer Zeit, in der Gesundheitsdaten eine immer wichtigere Rolle spielen, stehen Kliniken, Krankenhäuser, ärztliche Praxen und Pflegeeinrichtungen vor der Herausforderung, medizinische Informationen und Daten von Patientinnen und Patienten effizient und sicher zu verwalten. Oft sind relevante Informationen nur fragmentiert und in unterschiedlichen Systemen sowie Formaten gespeichert. Dies erschwert eine umfassende und effiziente Betreuung der Betroffenen. Viele Systeme sind nicht interoperabel und erlauben keinen direkten Datenaustausch. Manuelle Abgleiche und Eintragungen sind erforderlich, was zeitaufwendig und fehleranfällig ist. Vor diesem Hintergrund beauftragte das Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) das Fraunhofer IESE mit der Entwicklung von OneViewMed: Einer einheitlichen Anzeigemöglichkeit für medizinische Informationen für klinische Kontexte, um Interoperabilität im Krankenhaus herzustellen. Der Projektname ist die Kurzform von »One Viewpoint for Medical Information in Clinical Contexts«.

Mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen soll die Qualität, Transparenz und Effizienz gesteigert werden und so die Gesundheitsversorgung nachhaltig verbessern. Die Voraussetzung dafür: Interoperabilität. Denn bisher sind die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen noch wenig vernetzt. Der Informationsaustausch erfolgt per Arztbrief oder Fax. Daten werden in unterschiedlichen Formaten abgespeichert. Die Verwendung von Fachterminologien ist nicht einheitlich, und Informationen bestehen vielfach aus unstrukturiertem Freitext. Für ein digitales Zusammenspiel aller an der Behandlung von Patientinnen und Patienten beteiligten Akteure bedarf es jedoch eines nahtlosen Austauschs von Daten. [1]

Was bedeutet Interoperabilität im Krankenhaus?

Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit verschiedener IT-Systeme, Softwareanwendungen und medizinischer Geräte, nahtlos und sicher Daten auszutauschen und zu nutzen. Sie ermöglicht eine effiziente Kommunikation innerhalb und zwischen verschiedenen Krankenhäusern, ärztlichen Praxen, Laboren etc., um eine bessere Patientenversorgung zu gewährleisten.

Beispiele für ausgetauschte Daten sind:

  • Elektronische Patientenakten (ePA) mit Diagnosen, Behandlungsverläufen und Medikationsplänen
  • Labordaten wie Blutwerte oder MRT-Befunde
  • Notfalldaten zu Allergien oder chronischen Erkrankungen
  • Abrechnungs- und Verwaltungsdaten für Kostenträger und Versicherungen

Bedarf an Interoperabilität im Krankenhaus

Krankenhäuser sind komplexe Organisationen, in denen zahlreiche Akteure gemeinsam an der Patientenversorgung beteiligt sind. Jeder dieser Akteure erzeugt dabei wichtige Informationen, die von anderen genutzt werden müssen. Die Komplexität der Gesundheitsdaten ergibt sich dabei aus der Vielfalt der Datentypen, wie z. B. Arztbriefe, klinische Befunde sowie Labor- und Pathologiedaten. Für eine effektive und sichere Gesundheitsversorgung ist es unerlässlich, dass diese Daten reibungslos zwischen verschiedenen Systemen und Personen ausgetauscht werden können und zudem verständlich aufbereitet sind, um eine optimale Nutzung zu gewährleisten.

In den meisten Fällen sind Krankenhäuser jedoch heterogene Systeme, die aus einer Vielzahl von Programmen und Geräten bestehen, die isoliert voneinander agieren. Die dadurch entstehende Fragmentierung von Patientendaten erschwert den Zugang zu vollständigen Krankenakten, was zu medizinischen Fehlern und Ineffizienzen führt.[2]

So kann der fehlende Austausch von Daten zu schwerwiegenden Problemen, wie z.B. Medikationsfehlern, führen. Denn die Hauptursachen hierfür sind Erfassungsprobleme und Übertragungsfehler, weil dieselben Daten in verschiedenen Systemen eingegeben werden müssen, sowie der fehlende Zugang zu standardisierten Verordnungen.[3]

Interoperable Systeme hingegen ermöglichen durch nahtlosen Datenaustausch eine präzisere Diagnose, bessere Kommunikation zwischen Fachkräften und einen sicheren, schnelleren Informationsaustausch. Dadurch lassen sich Fehler wie falsche Medikationen reduzieren, die Kosten senken und die Effektivität steigern.[2]

Innovative Lösung zur Verbesserung der Interoperabilität

Um den Herausforderungen der Fragmentierung von Patientendaten und den damit verbundenen Risiken in der Gesundheitsversorgung entgegenzuwirken, sind innovative Ansätze erforderlich. Ein effektives Konzept verfolgt das Projekt OneViewMed, das gezielt an der Beseitigung von Datenbrüchen arbeitet und somit die Interoperabilität im Krankenhaus verbessert. Im Rahmen des Digitalisierungsprojekts »Digitales Universitätsklinikum Frankfurt« – gefördert durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur – wurde vom Fraunhofer IESE eine Lösung entwickelt, die den nahtlosen Austausch von Gesundheitsdaten ermöglicht: Ein zentrales Dashboard zur kontextsensitiven Darstellung von Daten. Es führt in einer Tablet-Anwendung alle für den betrachteten Anwendungsfall relevanten Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten aus verschiedenen Quellsystemen des Universitätsklinikums Frankfurt zusammen und stellt sie einheitlich und übersichtlich bereit. Behandelnde und Pflegekräfte können schneller auf wichtige Informationen zugreifen, wodurch die Behandlung erleichtert und die Sicherheit erhöht wird. Zugrunde liegt der Anwendung ein zentrales Daten-Repository, in dem Daten aus verschiedenen Krankenhausinformationssystemen (KIS) und anderen Software-Lösungen zusammenfließen und in den FHIR-Standard überführt werden.

Projektziele zur Optimierung von Verlegungen im Krankenhaus

Hauptziel des Projekts war es, eine prototypische digitale Lösung für das Anwendungsszenario der »Verlegungen von Patientinnen und Patienten von der Intensiv- auf die Normalstation« zu entwickeln. Entlang der Patient Journey gab es aufgrund der unterschiedlichen Krankenhausinformationssysteme (KIS) auf den verschiedenen Stationen, insbesondere bei Verlegungen Datenbrüche, die durch die Dashboard-Anwendung adressiert wurden. Eine benutzungsfreundliche und auf den Kontext zugeschnittene Darstellung klinischer Daten sollte Arbeitsaufwände seitens des medizinischen Personals reduzieren und das Auffinden relevanter Informationen erleichtern.

Im Fokus standen dabei die zentrale Datenintegration und die Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Systemen, wie den verschiedenen Krankenhausinformationssystemen (KIS), elektronischen Patientenakten (ePA), Laborberichten und Bildgebungsdaten. Zudem musste die Interoperabilität mit bestehenden IT-Infrastrukturen gewährleistet werden. Durch den vereinfachten Zugriff auf verlegungsrelevante, fallspezifische Daten kann so einerseits der Arbeitsalltag der Behandelnden erleichtert als auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessert werden. Eine schnellere und präzisere Darstellung der relevanten Daten aus verschiedenen Systemen sowie die nutzerfreundliche Aufbereitung dieser reduzieren den Aufwand für Behandelnde und erhöhen die Sicherheit für alle Beteiligten. Insgesamt sollen durch das Dashboard Arbeitsabläufe rund um die Verlegung optimiert, administrative Aufgaben für das medizinische Personal reduziert und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachbereichen und Stationen verbessert werden. Neben der Benutzungsfreundlichkeit und Effizienz für die Anwendenden spielten bei der Konzeption auch Datensicherheit und Datenschutzaspekte eine wichtige Rolle. So wurde z.B. auf die Einhaltung regulatorischer Vorgaben wie der DSGVO und der Datenschutzrichtlinien im Gesundheitswesen geachtet.

Entwicklungsprozess der Dashboard-Anwendung

In einem ausführlichen und iterativen Verfahren zur Erhebung der Bedarfe kamen verschiedene Methoden zum Einsatz – darunter z.B. Workshops zum Patient Journey Mapping mit verschiedenen Stakeholdern, Interviews mit medizinischem Personal und IT-Fachkräften sowie einer Hospitation auf der chirurgischen Intensivstation und einer Normalstation am Universitätsklinikum Frankfurt. Dokumentenanalysen zum besseren Verständnis des Kontexts ergänzten die Erhebung, in deren Anschluss ein Anwendungsszenario festgelegt wurde. Mittels der Task-Oriented Requirements Engineering (TORE)-Methodik wurden die relevanten Informationen gesammelt und strukturiert. Die erhobenen Anforderungen wurden dokumentiert und in ein Domänenmodell überführt, um die relevanten Entitäten und deren Beziehungen zu definieren. Ein Abgleich mit dem FHIR-Standard sollte die Interoperabilität gewährleisten. Auf Basis einer Stakeholder-Analyse konnten drei archetypische Stakeholdergruppen in Form von Personas dokumentiert werden, wobei die primären Anwendenden des Dashboards Behandelnde auf der Normalstation sind, bei denen Verlegungen eintreffen und zügig aufgenommen werden müssen, häufig mit einer dürftigen Informationslage. Auf Basis dieser Vorarbeiten wurde eine Tablet-Anwendung konzipiert, die auf den exemplarischen Anwendungsfall zugeschnitten ist und prototypisch Behandlungspfade der Verlegung abbildet.

Um das Konzept und das visuelle Design zu evaluieren, wurden im gesamten Projektverlauf Interviews und User-Testings mit medizinischem Personal des Universitätsklinikums Frankfurt durchgeführt. So konnten Feedback und Bedarfe direkt in eine überarbeitete Version mit den entsprechenden Anpassungen einfließen. Zum Projektabschluss fand eine abschließende Evaluation mit den Teilnehmenden der vorherigen Interviews statt, indem der finale Prototyp erneut getestet und die Zufriedenheit mittels des User Experience Questionnaires (UEQ) erfasst wurde. Aus den Findings wurden Machbarkeitsaussagen sowie Handlungsempfehlungen für die Gestaltung einer Dashboard-Anwendung im klinischen Kontext für das UKF abgeleitet.

Mit dem Dashboard klinische Daten auf einen Blick

Interoperabilität Krankenhaus: Mit OneViewMed alle Patientendaten auf einem Dashboard
Abbildung 1: Dashboard mit der Stationsübersicht

Das Dashboard wurde so konzipiert, dass es eine strukturierte und übersichtliche Darstellung der klinischen Daten aller Patientinnen und Patienten auf der Station ermöglicht. Zentrale Komponenten sind ein sicherer Log-in für den Schutz der sensiblen Daten, eine Übersichtsseite, die Informationen zu allen Patientinnen und Patienten auf der Station bereitstellt, sowie Detailansichten, die umfassende Informationen zu einer Person und eine Chronologie der Behandlung bieten. Insbesondere wurde die Einsichtnahme von Diagnosen, Befunden und Medikationen vereinfacht und übersichtlicher. Die Behandelnden können in der Detailansicht fallbezogene Informationen – schwerpunktmäßig in die Bereiche Übersicht, Medikation, Vitaldaten, Chronologie und Dokumente unterteilt – einsehen. Dadurch stehen Behandelnden schnell und übersichtlich die wichtigsten Informationen zu eingehenden Verlegungen auf ihre Station zur Verfügung, wodurch die Aufnahme erleichtert wird. Überdies kann das Dashboard auch für die Weiterbehandlung der bereits auf der Station befindlichen Personen genutzt werden.

Um eine sichere und vollständige Verlegung zu gewährleisten, verfügt das Dashboard über ein integriertes Aufgabenkonzept. Dieses zeigt die wichtigsten Aufgaben an, die bei der Aufnahme anfallen, je nach Station entweder in eigenen Listen bzw. durch sogenannte Standard Operating Procedures (SOPs) definiert oder von den Behandelnden fallspezifisch erstellt. Dabei werden wesentliche Schritte aufgeführt, die vor der vollständigen Aufnahme auf der Station abzuschließen sind. Hierzu zählen unter anderem die ärztliche Untersuchung, die Kontrolle von Wunden und Drainagen, das Überprüfen aktueller Laborwerte sowie die Kontrolle und gegebenenfalls Anpassung der Medikation. Erst wenn alle Aufgaben erledigt und im System abgehakt sind, wird die Kachel der Neueingänge in der Übersicht in die Rubrik »Auf der Station« verschoben.

 

Interoperabilität im Krankenhaus: Dashboard für Medikationsübersicht einer Patientin
Abbildung 2: Medikationsübersicht einer Patientin

Vorteile von Interoperabilität in Krankenhäusern: Erhöhte Effizienz und Sicherheit im Klinikbetrieb

Das OneViewMed-Projekt stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung einer integrierten medizinischen Informationsversorgung dar. Durch die Bündelung relevanter Daten in einem benutzerfreundlichen Dashboard wird die Effizienz im Klinikbetrieb erhöht und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten verbessert. Die iterative Vorgehensweise bei der Konzeption und die enge Zusammenarbeit mit den Anwendenden haben dazu beigetragen, eine passgenaue Lösung für das Universitätsklinikum Frankfurt zu entwickeln. Durch die Umsetzung dieses Projekts soll eine moderne, sichere und effiziente Plattform geschaffen werden, die nicht nur die Arbeit von ärztlichem und pflegerischem Personal erleichtert, sondern auch die gesamte Versorgung im klinischen Kontext langfristig verbessert. Ein durchdachtes Dashboard für klinische Daten kann somit einen entscheidenden Beitrag zur Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung leisten.

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Quellen:

[1] Philipp Stachwitz, Jörg F. Debatin, Digitalisierung im Gesundheitswesen: heute und in Zukunft
[2] Iroju, O., Soriyan, A., Gambo, I., & Olaleke, J. (2013). Interoperability in healthcare: benefits, challenges and resolutions. International Journal of Innovation and Applied Studies, 3(1), 262-270.
[3] Rahmawati, H. K., & Adisasmito, W. B. B. (2023, September). The Benefits of Interoperability to Prevent Medication Error in Hospital. In The International Conference on Public Health Proceeding (Vol. 4, No. 02, pp. 379-387).