Der Begriff Industrie 4.0 durchdringt die Medien. Doch ab wann spricht man überhaupt von I40 und wie können Unternehmen ihre Fertigung darauf umstellen? An welcher Lösung arbeitet Fraunhofer IESE gemeinsam mit dem Konsortium im Projekt BaSys4.0? Im Interview bezieht Dr. Thomas Kuhn, Abteilungsleiter Embedded Software Engineering am Fraunhofer IESE, zu diesen Fragen Stellung.
Haben deutsche Unternehmen inzwischen die Notwendigkeit erkannt, auf Industrie 4.0 umstellen zu müssen?
Auf jeden Fall haben sie das erkannt. Die meisten Unternehmen sehen Industrie 4.0 als Notwendigkeit an, sind sich jedoch nicht immer im Klaren darüber, welche Potenziale sich daraus ergeben können. Den Vorteil einer effizienteren Fertigung erkennen viele Unternehmen. Doch wie sieht es mit zusätzlichen Chancen aus, sich am Markt zu behaupten? Aspekte wie Individualisierung und Flexibilisierung müssen hier noch stärker ins Bewusstsein treten.
Wie viele Unternehmen fertigen bereits nach I40?
Prozentual kann man das so nicht sagen. Dazu müsste man erst einmal definieren, ab wann man überhaupt von Industrie 4.0 spricht. Es gibt zwar schon einzelne Teststrecken für I4.0, die werden aber nicht für die operative Fertigung, sondern für die Evaluation von I4.0 verwendet.
Wie muss man sich das vorstellen? Einen schrittweisen Umbau der Fertigung also 3.0, 3.1, …. bis hin zu 4.0 oder als Big Bang?
Nein, einen Big Bang wird es so nicht geben. Die bereits vorhandenen Anlagen haben eine sehr lange Lebensdauer und können aufgrund des nicht zu verachtenden Anschaffungspreises nicht so einfach ausgetauscht werden. Ziel muss es sein, eine Strategie zu finden, diese in Richtung Industrie 4.0 weiterzuverwenden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man die Echtzeitregelungen weiterhin über bestehende Verbindungen realisiert und zusätzliche Anforderungen wie Predictive Wartung, Abfrage von Betriebsdaten etc., die durch I4.0 kommen, über neue Verbindungen regelt. Es gibt keinen harten I40 Standard. Wir sprechen von I4.0, wenn Geräte Daten herstellerübergreifend austauschen können, quasi die Interaktion der Maschinen miteinander. Deshalb ist es am Ende schwer abzugrenzen, ob es sich um I3.9 oder bereits um I4.0 handelt.
Wie lebensnotwendig oder sogar überlebensnotwendig sehen Sie Industrie 4.0 für die Industrie?
Die Vernetzung wird der zentrale Aspekt für eine erfolgreiche Zukunft sein. Diese müssen Unternehmen erreichen. Diejenigen, die sich nicht daran beteiligen, werden künftig abgehängt werden. Der zentrale Aspekt von I4.0 ist der übergreifende Datenaustausch und den werden Unternehmen mittragen müssen, um in Zukunft wettbewerbsfähig und vielleicht auch überlebensfähig zu sein.
Wie kann man das große Forschungsprojekt BaSys 4.0 hier einordnen
BaSys 4.0 ist die technische Infrastruktur, die die herstellerübergreifende Interaktion ermöglicht. Die Basis ist ein Framework, um alles miteinander zu verbinden. Zwei bis drei Laufzeitumgebungen werden bereits vorhanden sein und es wird jederzeit möglich sein, eigene hinzuzufügen. Das Gleiche gilt für Kommunikationssysteme, OPC-UA wird bereits vorhanden sein, andere können integriert werden. Das Basissystem kann erweitert werden um Anwendungen, Interaktionsformen mit den Maschinen, Safety usw. Hersteller müssen Informationsmodelle bereitstellen, die die Eigenschaften ihrer Geräte beschreiben.
Am Ende des Projektes soll es eine Middleware geben. Wer wird davon profitieren können?
Gerätehersteller profitieren davon, dass sie nicht alles selbst implementieren müssen, sondern gegen eine Standardschnittstelle implementieren können. Anlagenbetreiber haben den Vorteil, dass sie sich besser auf neue Aufträge einstellen und flexibler produzieren können. Kunden können sich in Zukunft über eine größere Auswahl individueller Produkte freuen. Und am Ende könnte sogar die Umwelt profitieren, da dezentraler gefertigt wird und dort produziert wird, wo Dinge tatsächlich gebraucht werden.
Wann und wo können Interessierte BaSys erleben?
Nächstes Jahr im April werden wir einen Demonstrator zu BaSys 4.0 auf der Hannover Messe Industrie präsentieren.