Erprobung neuer Sensortechnologien im Leitprojekt COGNAC

Im Rahmen des Fraunhofer-Leitprojekts COGNAC wurden verschiedene Sensoren zur Erfassung von Boden- und Pflanzenkennwerten entwickelt, die bereits in verschiedenen Messkampagnen erfolgreich getestet werden konnten. Der Umfang der Sensoren reicht von Lachgassensorik über Dichtemessungen basierend auf seismischen Oberflächenwellen bis hin zu Hyper- und Multispektralkamerasystemen, welche mithilfe KI-gestützter Algorithmen bspw. die Düngemittelsättigung des Bodens bestimmen oder Beikraut per Sensor von Nutzpflanzen unterscheiden können. Dieser Beitrag liefert Einblicke zum aktuellen Stand der Entwicklungen.

Im Fraunhofer-Leitprojekt »Cognitive Agriculture« (kurz: »COGNAC«) for­schen neben dem Fraunhofer IESE sieben weitere Fraunhofer-Institute gemein­sam an Grundlagen, die Landwirt*innen in einer digitalisierten Welt hohe Produkti­vität im Einklang mit weiteren Zielen wie Nachhaltigkeit oder Produktqualität er­möglichen. Unsere Gastautorin vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS koordiniert die Arbeiten zu Sensorik und Sensortechnologien und berichtet über neue Forschungsergebnisse.

 

Weihnacht, Bianca (Fraunhofer IKTS)Gastautorin
Dr. Bianca Weihnacht
Fraunhofer IKTS

Telefon: +49 351 88815-536

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Seismische Messungen bei der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Köllitsch

Mitte Juni konnte die im Rahmen des AP4 entwickelte Bodendichtekartierung mittels seismischer Oberflächenwellen auf einem Feld verwirklicht werden. 12 Geophone dienen dabei als Empfänger für bestimmte elastische Wellentypen, die in den Boden mittels elektrodynamischem Vibrationssystem eingekoppelt wurden. Dieses Verfahren wird üblicherweise für ingenieurgeologische Fragestellungen eingesetzt, um beispielsweise Baugrunduntersuchungen durchzuführen, Verdichtungszonen zu kartieren oder Hangrutschungszonen zu bewerten. Hauptsächlich beeinflussende Faktoren sind dabei, wie auch bei den hier beschriebenen Untersuchungen, die Verteilung der Bodendichte sowie weitere elastische Kenngrößen, die die Ausbreitung der Wellen beeinflussen und eine modale Antwort des Untergrundes auf eine breitbandige Anregung erzeugen. In Abbildung 1 ist der Demonstrator zu sehen, der aus einem Aktor (links auf dem Boden stehend) und hydraulisch einsteckbaren Geophonen besteht. Weiterhin gehören ein Messrechner, der mittels WLAN mit einem geeigneten Steuerrechner verbunden werden kann, und die Messkarte für die Datenerfassung und Ansteuerung dazu. Die Pneumatikzylinder, welche die Geophone automatisiert in den Boden einkoppeln, wurden mit Druckluft betrieben.

Felddemonstrator zur Erprobung neuer Sensor-Technologien im Fraunhofer-Leitprojekt COGNAC.

Abbildung 1: Felddemonstrator zur Ermittlung von Dichteunterschieden im Untergrund; links: Gesamtansicht, rechts: Geophon-Detailansicht (c) Fraunhofer IKTS

Das technologische Ziel des Projekts besteht darin, dass das Messystem möglichst autonom mit der vom Fraunhofer IVI entwickelten Roboterplattform CERES betrieben werden kann, um die Bodendichte autonom zu kartieren. Der Ausleger vor einer Messkampagne wird über ein im landwirtschaftlichen Bereich gängiges Gerätedreieck am Roboter befestigt. Dieser kann es über eine Hubeinrichtung anheben und zum Einsatzort transportieren. Am Einsatzort wird der Ausleger anschließend abgesetzt, der Aktor wird an den Boden gedrückt, die Geophone werden in den Boden gesteckt und anschließend wird die Messung durchgeführt. Alle Arbeitsschritte werden automatisiert wiederholt, bis der Interessensbereich auf dem Feld kartiert ist. Die ausgewerteten Daten (tiefenaufgelöste Bodendichte) werden auf der Plattform gesammelt und dann zum Agricultural Data Space (ADS) übertragen. Dort stehen sie z. B. für semantische Feldkarten zur Verfügung.

Für Anfang Sommer 2022 ist eine weitere Messkampagne geplant, um das Verfahren mit derzeit gängigen Verfahren zur Bodendichtekartierung mittels elektromagnetischer Induktionsspulen zu vergleichen. Weiterhin wurde das System für eine höhere Praktikabilität auf eine kleinere und leichtere Anhängerlösung portiert. Somit ist es bereits für leichte landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge und -Arbeitsmaschinen verfügbar.

KI-gestützte adaptiv-intelligente Spektralsensoren zur Erfassung des Pflanzenzustands (Fraunhofer IFF)

Für den ökonomisch und ökologisch optimierten landwirtschaftlichen Anbau ist es unerlässlich, möglichst frühzeitig zu erkennen, ob Pflanzen mit genügend Nährstoffen und Wasser versorgt sind, unter Pflanzenschädlingen bzw. einem Pilzbefall leiden oder wie zum Beispiel die Unkrautsituation auf dem Feld ist.

Aktuell sind viele Pflanzenzustandsparameter gar nicht oder nur in aufwändigen manuellen Arbeiten oder Laboranalysen messbar. Hier setzt das Forschungsteam des Fraunhofer IFF an. Es entwickelt spektral-optische Sensorsysteme zur einfachen und schnellen Erfassung dieser Parameter und nutzt dabei Methoden des maschinellen Lernens (Stichwort: Künstliche Intelligenz (KI)) für die automatisierte Interpretation und Analyse der Messdaten. Diese KI-optimierte, intelligente Sensorik kann auf verschiedene Szenarien der Pflanzenzustandserfassung adaptiert werden und liefert stets zeitlich und örtlich hochaufgelöste Analysedaten. Die Adaption der intelligenten Sensorik erfolgt über ein anwendungsspezifisches Anlernen in kognitiven Clouddiensten. Die von einem angelernten Sensor aggregierten Analysedaten werden in standardisierten Datenformaten in den Agricultural Data Space geladen und können dort mit weiteren multimodalen Daten verknüpft und zu weiteren entscheidungsbringenden Informationen verarbeitet werden.

Mithilfe dieser neuartigen Sensorik können die Beschäftigten im Agrarsektor und in der Pflanzenzucht gezielte Entscheidungen und Maßnahmen ableiten. Feldroboter- oder drohnengetragene Sensorik erfasst automatisiert Daten und wertet diese kognitiv in Echtzeit aus. So können Pflanzenschutz- und Düngemaßnahmen bedarfsgerecht und punktgenau durchgeführt werden. Dies spart Kosten bei Betriebsmitteln und ist gleichzeitig ökologisch nachhaltiger.

Neue Sensor-Technologien kommen beim Smart Farming immer häufiger zum Einsatz. Spektralsensoren kommen u. a. als neue Sensor-Technologien beim Smart Farming zum Einsatz.

Abbildung 2: links – Spektralmesssystem an Trägerplattformtraktor; rechts – Beispiel Segmentierungsmaske des intelligenten Spektralssensors zur Unterscheidung von Zuckerrübe (grün) und Beikraut (rot) (c) Fraunhofer IFF

Im Leitprojekt COGNAC soll die Umsetzung von anwendungsspezifischer intelligenter Spektralsensorik am Beispiel der Beikrauterkennung in der Zuckerrübe demonstriert werden. Dazu wurden in den Jahren 2020 und 2021 Messkampagnen zur Erfassung von Lerndatensätzen auf den Zuckerrübenfeldern des Lehr- und Versuchsguts (LVG) in Köllitsch durchgeführt (siehe Abbildung 2). Nach aktuellem Entwicklungsstand erreicht der KI-gestützte Spektralsensor eine Erkennungsleistung von 98 % bei der Unterscheidung von Beikraut und Zuckerrübe. Dabei diente bisher ein Traktor als Sensorträgerplattform. Für die Vegetationsperiode 2022 ist der Betrieb des entwickelten Sensorsystems am Feldroboter CERES geplant. Sensordatenerfassung und -auswertung, die Roboterfahrt über das Feld und die Kommunikation mit dem Agricultural Data Space (ADS) sollen dabei zum Datenaustausch automatisiert erfolgen. Die erstellten Detektionsmodelle zur Beikrauterkennung sollen somit validiert werden.

SmartVision – Auswertung multispektraler Bilder in Echtzeit zur Erkennung von Nutzpflanzen und Beikraut

Die Erkennung von Nutzpflanzen und Beikraut ist ein wichtiger Schritt zur pestizidfreien Landwirtschaft. Zur zuverlässigen Erkennung der Pflanzen wird die im nahinfraroten Spektralbereich erhöhte Reflektion mit den Farbinformationen einer RGB-Kamera kombiniert. Durch den erhöhten Kontrast wird die Erkennung von Pflanzen auch unter schwierigen Aufnahmebedingungen, beispielsweise bei Fremdlicht und Schattenwurf, ermöglicht (siehe Abbildung 3).

Im Leitprojekt COGNAC soll die Konfiguration der multispektralen Kamera mit den Daten des hyperspektralen Kamerasystems optimiert werden. In der Messkampagne 2021 wurden dazu multi- und hyperspektrale Bilddaten in kombinierten Versuchsfahrten auf den Zuckerrübenfeldern des Lehr- und Versuchsguts (LVG) in Köllitsch durchgeführt (siehe Abbildung 2). Für die Vegetationsperiode 2022 ist eine Integration des SmartVision-Systems in den Feldroboter CERES geplant. Das System des Fraunhofer IOSB kombiniert multispektrale Kameratechnik mit einer Echtzeit-Bildauswertung, sodass die Information direkt zu den Werkzeugen der mechanischen Beikrautregulierung weitergeleitet werden kann.

Abbildung 3: Beispiel der Erkennung durch den Infrarotkanal aus der Messkampagne 2021, links: normalisiertes Infrarotsignal, Mitte: instanzbasierte Segmentierung von Pflanzen, rechts: Nutzpflanzen (blau) und Beikraut (rot) (c) Fraunhofer IOSB

 

Mobiler Lachgassensor auf Spektrometerbasis

Um Lachgasemissionen aus dem Ackerboden zu bestimmen, klimarelevante Vergleiche von Böden, Düngern und Düngearten zu gewährleisten und Bodenveränderungen und Düngemittelabflüsse auf dem Feld aufzeigen zu können, setzen wir im Projekt COGNAC derzeit einen Lachgassensor ein. Zusätzlich zu den bereits genannten Aspekten werden zudem Bodenfeuchte und Bodentemperatur gemessen. Mitte Juni konnten die ersten Feldmessungen mit dem mobilen Sensor durchgeführt werden. Als Versuchsfläche kam ein Maisfeld zum Einsatz, auf dem verschiedene Düngearten getestet werden.

Der Sensor besteht aus einer Sammelglocke, die das ausströmende Lachgas auffängt, und einem Messkoffer mit Elektronik, Pumpe und einem Spektrometer (siehe Abbildung 3). Über die Pumpe wird das Volumen der Sammelglocke ständig mit dem der Messzelle des Spektrometers ausgetauscht, um eine kontinuierliche Anreichung an Lachgas zu gewährleisten und daraus folgend den Lachgasfluss zu bestimmen. Die schwarzen Gummistreifen an der Messkammer dienen dazu, das Einströmen von Umgebungsluft in die Sammelglocke zu minimieren. Ziel der Testmessungen war es, die notwendige Messzeit pro Messpunkt abzuschätzen und die Umwelteinflüsse auf den Sensor zu verifizieren. Zusätzlich war das Handling auf dem Feld mit den einzelnen Komponenten von Interesse.

Der Sensor wird zurzeit noch von Hand zu den einzelnen Messpunkten auf dem Feld getragen. Die Daten werden auf dem Messrechner gespeichert. Zur Referenzierung der Messdaten ist es notwendig, eine bekannte Konzentration N2O (Lachgas) als Referenzgas vor der Messung vom Sensor aufnehmen zu lassen. Die gewonnenen Daten bedürfen einer anschließenden Nachbearbeitung, bevor sie dann dem ADS zur Verfügung gestellt werden.

Lachgassensor als neue Sensor-Technologie im Fraunhofer-Leitprojekt COGNAC

Abbildung 4: Lachgassensor im Feldeinsatz. Links oben: Versuchsfeld aus Vogelperspektive, links unten: Gesamtaufbau Lachgassensor, rechts: Nahaufnahme Sammelglocke. (c) Fraunhofer IPM

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