Die vierte industrielle Revolution und der Begriff »Industrie 5.0« – eine Kritik des Forschungsbeirats Industrie 4.0 und der Plattform Industrie 4.0
Der Forschungsbeirat Industrie 4.0 und die Plattform Industrie 4.0 nehmen in einer Kritik Stellung zum Umgang mit dem Begriff »Industrie 5.0«. Auf der Hannover Messe 2011 wurde Industrie 4.0 erstmalig der breiten Öffentlichkeit vorgestellt mit einem industriellen Leitbild, das weiterhin hochaktuell ist und sich weltweit verbreitet. Der Forschungsbeirat Industrie 4.0 und die Plattform Industrie 4.0 kritisieren die leichtfertige und unnötige Verwendung des Begriffs »Industrie 5.0«, der keine neuen Inhalte beinhaltet und zur Verunsicherung beiträgt. Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution und deren fortlaufende Veränderung, die alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst.
Der Begriff »Industrie 5.0« werde in letzter Zeit öfter verwendet, um unter anderem den Fokus auf die »Menschenzentriertheit« zu legen. Allerdings beinhalte der Begriff Industrie 4.0 von Beginn an als wichtigstes Ziel den Nutzen für die Gesellschaft, erklären der Forschungsbeirat Industrie 4.0 und die Plattform Industrie 4.0. Zudem stehe der Begriff Industrie 4.0 für die vierte industrielle Revolution, die wie alle vorhergegangenen Revolutionen eine lange Zeitspanne bis zur vollständigen Umsetzung benötigen werden. Das schließe den Einsatz von neuen Technologien und Wertschöpfungsmodellen unter Einbeziehung der beteiligten Menschen mit ein. Das softwaretypische Kürzel »4.0« stehe symbolisch für die Bedeutung von Software in diesem Prozess, sollte aber nicht als Versionszählung verstanden und durch »5.0« ersetzt werden.
»Die vierte industrielle Revolution – also Industrie 4.0 – umfasst eine Vielzahl von Aspekten«, erklärt Peter Liggesmeyer (Fraunhofer IESE), Sprecher der Wissenschaft im Forschungsbeirat Industrie 4.0. »Die Inhalte, die derzeit als Industrie 5.0 diskutiert werden, sind darin vollständig enthalten. Es besteht daher die Gefahr, dass der unnötige Begriff zu Verwirrung führt.«
»Die Bedeutung von Industrie 4.0 ist mittlerweile auch kleineren und mittelgroßen Unternehmen bewusst«, ergänzt Harald Schöning (Software AG), Sprecher der Industrie im Forschungsbeirat Industrie 4.0. »Auch dort hat die Umsetzung begonnen. Diese Unternehmen werden mit der Nennung des Begriffs Industrie 5.0 verwirrt und verunsichert. Es darf nicht dazu kommen, dass sie dadurch auf ihrem Weg hin zu Industrie 4.0 an Schwung verlieren.«
»Unsere Mission liegt in der Skalierung und breiten Implementierung der Prinzipien von Industrie 4.0. Dieses Ziel erreichen wir ausschließlich durch die engagierte Mitwirkung des Mittelstands.«, betont Henrik Schunk (Schunk GmbH & Co. KG), Vorsitzender des Lenkungskreises der Plattform Industrie 4.0. »Die Diskussion über eine Industrie 5.0 ist nicht nur irreführend, sondern riskiert auch die essenzielle Akzeptanz und Teilnahme dieser Schlüsselgruppe. Die Kernthemen wie Arbeitsgestaltung, menschzentrierte Ansätze sowie die Entwicklung und Integration von KI und generativer KI werden bereits intensiv in den Arbeitsgruppen von Industrie 4.0 adressiert. Ein Aufruf führt zu Irritationen und macht daher keinen Sinn.«
Die Stellungnahme »Die vierte industrielle Revolution und »Industrie 5.0« – eine Kritik« finden Sie hier.
Über den Forschungsbeirat Industrie 4.0
Der Forschungsbeirat Industrie 4.0 trägt als strategisches und unabhängiges Gremium wesentlich dazu bei, forschungsbasierte Lösungswege für die Weiterentwicklung und Umsetzung von Industrie 4.0 aufzuzeigen und somit Orientierung zu geben – mit dem übergeordneten Ziel, das deutsche Innovationssystem und die Wertschöpfung zu stärken. Dafür kommen im Forschungsbeirat aktuell 32 Vertreter*innen aus Wissenschaft und Industrie mit ihrem interdisziplinären Expertenwissen zusammen, formulieren neue, vorwettbewerblich beantwortbare Forschungsimpulse bzw. -bedarfe, zeigen mittel- bis langfristige Entwicklungsperspektiven auf und leiten Handlungsoptionen für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 ab. Die Forschung im Bereich Industrie 4.0 fokussiert sich dabei verstärkt auf Themen wie Nachhaltigkeit, Resilienz, Interoperabilität, technologische bzw. strategische Souveränität und die zentrale Rolle des Menschen. Die Arbeit des Forschungsbeirats wird von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften koordiniert, vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
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