Zeitkritische und versorgungsintensive Notfälle ereignen sich in Deutschland täglich hundertfach. Eine effiziente medizinische Versorgung entlang der gesamten Rettungskette verläuft trotz aller Routine in der Realität niemals ganz ohne Probleme. Deutschland verfügt zwar über ein flächendeckendes Rettungswesen mit vergleichsweise kurzen Eintreffzeiten, jedoch vergehen an der Einsatzstelle oft wertvolle Minuten, bis für den Patienten eine fachlich geeignete, gut erreichbare und vor allem auch aufnahmebereite Zielklinik gefunden wird. Die derzeitige Praxis beinhaltet insbesondere in ausgedehnteren Leitstellenbereichen mit einer Vielzahl von Zielkliniken häufig einen regelrechten »Telefonmarathon« mit Zeitverlusten von nicht selten mehr als 10-15 Minuten.
Diese Praxis ist nicht mehr zeitgemäß und belastet auch die Disponenten über Gebühr. Zur Verdeutlichung der Problematik ein typisches Szenario aus dem Einsatzgeschehen. Ein 9-jähriger Junge wird auf dem Weg zur Schule von einem Auto erfasst. Wegen massiver Schmerzen und Schocksymptomatik wird umgehend der Notarzt alarmiert. Dieser beauftragt die Leitstelle, einen »Platz für ein kreislaufinstabiles Kind mit stumpfem Bauchtrauma und Wirbelsäulentrauma« zu finden. Der Disponent muss hierzu sukzessiv insgesamt fünf Kliniken abfragen. In der ersten Klinik ist der Schockraum bereits belegt, in der zweiten Klinik wird mit Hinweis auf die Intensivkapazität abgelehnt, die dritte Klinik kann nach Rückfrage aktuell nur die Abdominalverletzung, nicht jedoch die Wirbelsäulenverletzung versorgen, von der vierten Klinik kommt die Rückmeldung, dass Kinder generell nicht versorgt werden können. Nach insgesamt 25-minütigen telefonischen Bemühungen kommt von einer 80 km entfernten Klinik der Schwerpunktversorgung die Zusage, das Kind aufzunehmen. Nur bei dieser Klinik war eine direkte Auskunft möglich; in den anderen vier Kliniken erfolgte dagegen eine zum Teil mehrfache interne Weitervermittlung. Aufgrund der Entfernung wird zum Transport ein Rettungshubschrauber alarmiert. Die Zeitdifferenz zwischen Unfall und Ankunft in der Klinik beträgt schließlich 90 Minuten.
Auch wenn das Kind gerettet werden konnte: Der Fall zeigt eindrücklich die Probleme und Verzögerungen, die sich infolge einer nicht mehr zeitgemäßen Methode zur Abfrage von Behandlungskapazitäten ergeben. Innovative technologische Lösungen können heutzutage die benötigten Informationen nicht nur wesentlich schneller, sondern auch mit einem geringeren personellen Aufwand sowohl der hoch ausgelasteten Disponenten als auch der angefragten Kliniken zur Verfügung stellen. Im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz hat das Fraunhofer IESE deshalb ein webbasiertes Informationssystem – den so genannten ZLB – entwickelt, das den Disponenten die aktuelle Aufnahmebereitschaft der Kliniken in Echtzeit anzeigt. Das Landesrettungsdienst- und das Landeskrankenhausgesetz sehen vor, dass Krankenhäuser den (Integrierten) Rettungsleitstellen ihre Aufnahme- und Versorgungskapazitäten melden. Diese Informationen können nun direkt durch das Krankenhaus bzw. durch die zuständige Leitstelle in den ZLB eingepflegt werden.
In Abhängigkeit vom Einsatzort kann der Disponent landesweit alle verfügbaren Kapazitäten abfragen, die dann als Tabelle bzw. auf einer Karte mit allen notwendigen Informationen dargestellt werden. Dabei stehen neben der Frage nach freien Normal- und Intensivbetten bzw. spezieller Infrastruktur vor allem die verfügbaren Akutversorgungskapazitäten im Vordergrund. Dies beinhaltet beispielsweise bei einem polytraumatisierten Patienten die Merkmale Schockraum-, CT- und OP-Kapazität, bei einem Patienten mit frischem Schlaganfall ein unmittelbar verfügbares CT und die Option zur Fibrinolyse.
Im Zuge des Qualitätsmanagements werden alle Statusänderungen protokolliert und können im Hinblick auf verschiedene Fragestellungen analysiert werden.
Der ZLB wurde 2012 beim bundesweiten Wettbewerb „365 Orte im Land des Ideen“ prämiert.